Samstag, 30. April 2022
- Mai Buko
- 30. Apr. 2022
- 11 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Mai 2022
Am Abreisetag ist mir erstmal beim Frühstück oben neben meinen langwierig reparierten Zähnen ein Stück von einem Zahn abgebrochen.
Ich hab es, als es passierte, nicht bemerkt, hab das Teil wohl auch aufgefressen, ich spürte nur nach dem Frühstück, als ich mir mit der Zunge meine Zähne abwischte, dass da oben plötzlich ein Riesenkrater war.
Das hat mir gerade noch gefehlt!
Vor allem überfiel mich sofort Panik, weil eine Sache vor der mich Marc noch vor der OP eindringlich gewarnt hatte, war, neben Bienenstichen, oder Verletzungen an der operierten Körperseite, irgendwelche Probleme/Behandlungen an den Zähnen.
Vor Aufregung habe ich damals die Erklärungen nicht richtig verstanden, vermute jetzt aber, dass es wohl an irgendwelchen Bakterien liegen könnte, die dann durch die Blutbahnen in die innere OP-Wunde wandern würden, und dies natürlich zu einer neuen krassen Problematik führen könnte.
Herrjeh, jetzt also dieses kilometergroße Loch in meinem Zahn, vielleicht mit direktem Zugang zu irgendeiner Scheiß-Blutbahn. Sofort rufe ich bei meinem Zahnarzt an, bitte darum noch heute vorbeikommen zu dürfen. Denn wenn der das so schnell wie möglich zukleistert, kann ja hoffentlich nichts Schlimmes passieren. Sie sind völlig ausgebucht, aber ich könnte um 13 Uhr vorbeikommen.
„Nein, das geht nicht, ich bin noch in der Reha, fahre hier erst um 11:30 Uhr los!“
„Dann vielleicht 15 Uhr, spätestens 15:15 Uhr, sonst morgen mittag.“
„Okay, ich halte Sie auf dem Laufenden, wenn absehbar ist, wann ich Köln erreiche und ob ich es bis dahin schaffe!“
Eigentlich müsste es locker zu schaffen sein, aber man weiß ja nie.
Um 11:30 Uhr kommt mich niemand abholen.
Ich sitze hier seit 8:30 Uhr im Foyer vor der Rezeption und beobachte alle Neueinzüge, die in der langen Schlange stehen und noch völlig unwissend alles erledigen werden, was man von ihnen verlangt, was nur mäßig interessant ist. Nur einmal wird es kurz spannend, als eine Diva hysterisch verlangt, sofort auf ihr Zimmer gebracht zu werden, weil sie nicht mehr kann und droht sonst in Ohnmacht zu fallen. Sie ist völlig überzogen, wird laut, gestikuliert wild, schauspielert schlecht, löst statt Mitgefühl eher Genervtheit bei den Mitarbeitern aus, was mich nur noch mal bestärkt damals richtig gehandelt zu haben, in dem ich in der gleichen Situation mein Verlangen zu schreien, mich zu beschweren, einen Aufstand zu machen wie diese peinliche Alte hier, tapfer unterdrückte, und stattdessen still gelitten habe.
Die hier wird jedenfalls nicht besonders lieb behandelt werden, das kann ich ihr versprechen.
Um 12:15 Uhr erkundige ich mich an der Rezeption, ob das normal ist, dass sich der Abholservice so sehr verspätet, oder ob man da mal anrufen könne.
Tja, das ist nicht normal, sie rufen mal an und erfahren, dass der Fahrer von einem Stau in den nächsten geraten ist, aber in einer halben Stunde da sein wird.
Das wäre dann also zehn vor eins, ob ich dann vielleicht nochmal zu Mittag essen wolle?
Na klar.
Als ich an meinem Tisch erscheine, und mir von einer Küchenkraft meine Vorsuppe an meinen Platz gestellt wird (mein Name ist weg, jetzt steht da Bernd Becker oder so, aber mein Nachfolger, der Bernd, darf frühestens heute Abend hier sitzen), fassen der Hamburger Polizist und Ute es nicht, und reagieren spontan mit tosendem Beifall. Der Hamburger steht sogar verdattert auf. Standing Ovations für mein überraschendes Erscheinen!
Wir lachen uns kaputt, mein running Gag, „Die lügen hier doch alle!“ passt wieder wie eine Eins. Ute kriegt sich gar nicht mehr ein.
Nach der Mahlzeit verabschieden wir uns erneut sehr herzlich, ich verzieh mich wieder ins Foyer.
Auch kurz vor 13 Uhr kommt niemand.
Gegen halb zwei kommt ein tätowierter Raver auf mich zu,
„Mai Buko?“
Verblüfft nicke ich, denn es sitzen hier mehrere Frauen blöd rum, woher weiß er, dass ich die Richtige bin? Vielleicht sehe ich ja am frustriertesten aus.
„Ich fahre Sie jetzt nach Hause, aber ich rauche noch eine vor der Tür, okay?“
Er verfrachtet mich und mein Gepäck (kein Ton über das Übergepäck), er giggelt dabei die ganze Zeit, im Auto läuft Technomucke.
„Stört Sie die Musik? Ich mach die sofort aus!“
„Nein, gar nicht. Ausserdem werde ich eh gleich Kopfhörer aufsetzen um einen Podcast zu hören. Hören Sie ruhig was Sie wollen.“
Er lacht weiter und redet in einer Tour, während er vor der offenen Autotür an seiner Fluppe zieht. Es ist Montag, womöglich hat er am Wochenende hart gefeiert und hat noch Reste von Extasy im Blut.
„Ein Podcast von den Jungs von Tokio Hotel? Nicht Ihr Ernst!“
Als es losgeht quasselt er weiter, ich komme gar nicht dazu mir die Kopfhörer in die Ohren zu stecken, bin ja höflich. Er schimpft auch sehr oft über die bescheuerten anderen Fahrer, vor allem die, die die Mittelspur blockieren. Er regt sich dermaßen auf, ist dabei in seiner Eigenwahrnehmung sehr wahrscheinlich sehr lustig, weil er viel mit Ironie arbeitet, aber trotz seinem Gelache die ganze Zeit zwischen den bösen Bemerkungen, ist er im Grunde ein sehr düsterer Typ. Als er sich zum 786. Mal über einen Autofahrer auf der Mittelspur aufregt, fordere ich ihn auf, seine Reaktion doch mal spontan zu verändern, ob er es wohl schaffen würde beim nächsten ätzenden Autofahrer einfach mal zu lachen, und zu sagen:
„Yay, schon wieder einer! Ich sammele die. Macht Spaß. Wie geil, der macht genau alles falsch, was man falsch machen kann. Genial!“
Macht er genau einmal, dann findet er es noch anstrengender als einfach nur zu motzen und sich aufzuregen.
Als ich die schönen Farben all der vorbeifliegenden Bäume bewundere, meinte er:
„Jaja, genau. Schwarz, hellgrau, dunkelgrau, anthrazit...“
Sieht er wirklich nur die Baumstämme? Sieht er nicht, dass da die Blätter in den herrlichsten Grüntönen saftig und frisch an uns vorbeizischen?
Einmal stülpe ich mir dann doch mutig die Kopfhörer in die Ohren, als gerade mal eine Redepause ist, dann fängt er wieder an, ich höre natürlich nichts, sehe aber an seiner Gestikulation, dass er wieder schwadroniert, ich ziehe also die Ohrstöpsel raus,
„Wie bitte?“
„Ach, Sie hatten die Kopfhörer auf. Sie wollen den Podcast hören.“ sagt er ein wenig vorwurfsvoll.
„Ich kann die Kopfhörer auch draussen lassen und Ihnen zuhören!“ biete ich sofort schuldbewusst an.
„Zuhören! Pffft. Es geht um Kommunikation. Austausch. Aber hören Sie ruhig den Podcast. Alles gut.“
„Okay!“ und ich stopfe mir wenigsten für eine kleine Pause die Dinge wieder rein.
Es ist ja ganz amüsant so einen misanthropischen Schwafler auf Extasy vor sich sitzen zu haben, aber ich brauche mal jetzt etwas leichtfüßiges, etwas lustiges, dafür sind die zauberhaften Kaulitz-Twins hervorragend geeignet.
Ausserdem liebe ich dieses Geräusch, wenn sie sich gegenseitig zustimmend zubrummen. Wie nennt man diesen Laut, wenn man anstatt „Ja“ oder „stimmt“ zu sagen, ein aus dem Kehlkopf geformtes „mmh“ hervorbringt?
Manchmal auch ein zweisilbiges „mm-mmh“.
Man muss aber beachten: wenn die Stimmlage bei der zweiten Silbe nach oben geht, bedeutet es Zustimmung, wenn sie aber bei beiden Silben so bleibt oder gar einen halben Ton nach unten geht, dann heißt das „nein“, „ich stimme nicht zu“.
Die Kaulitz Brüder stimmen sich aber immer zu, und das in einem wohligen, ja wirklich zärtlichen Gebrumm.
Ich sammle diese "mmmhs", diese süßen Laute, und genieße jeden einzelnen, so wie mein Fahrer diese Mittelspurfahrer, die es verkacken, verabscheut, und ihm jeder einzelne einen tiefen Groll in seine Zellen jagt.
Das kann er aber nicht lange ertragen, dass ich da so abgekapselt hinten sitze, deshalb fährt er erneut auf einen Rastplatz. Er muss ja rauchen. Deswegen geht er um den Wagen herum, schiebt meine Türe auf, damit ich auch etwas frische Luft bekomme, stellt sich davor, zündet sich eine Kippe an und quatscht mich wieder voll.
Herrjeh!
Zwischenzeitlich hatte ich per Sms sämtliche Leute die ich angefragt hatte, ob sie mir bei der Umsetzung meines Zahnarztbesuches helfen können, sprich: mich fahren können, erneut kontaktiert, um abzusagen, weil es natürlich mittlerweile unmöglich war, rechtzeitig beim Zahnarzt zu erscheinen.
Jetzt rief ich in der Praxis an, und erklärte auch ihnen, dass ich es leider nicht schaffen würde, weil ich so spät erst aus der Rehaklinik abgeholt worden wäre.
Natürlich sollte der hibbelige Raver das hören.
Ihm hatte ich ja bisher keinen Vorwurf gemacht, aber jetzt konnte ich ihn schon besser einschätzen und mir war völlig klar, dass er es verbockt hatte, weil er ein verpeilter und unorganisierter Typ war, und kein Stau.
Ich bekam mit, wie er mit seiner Zentrale telefonierte und dort angab, dass er den Folgetermin auf jeden Fall einhalten würde. Da sah ich ja schon, dass er es niemals schaffen würde, nicht im Ansatz, wie dumm, nicht jetzt schon nach Ersatz zu suchen.
Eine dreiviertel Stunde später, also schon fast zu spät, meldete er sich wieder bei der Zentrale, und bat um Unterstützung, jemand anders müsse die beiden Kinder aus der Behindertenwerkstatt abholen, bei ihm würde es doch zu knapp.
Jungejunge.
Irgendwann am späten Nachmittag schafften wir es tatsächlich bei mir anzukommen.
Vorher fuhren wir ein wenig durch die Innenstadt und am Rhein entlang, ich freute mich jetzt doch ein bisschen wieder daheim zu sein, die Sonne schien, ich spürte wohlig warm, dass ich den Fluss liebe, die vertrauten Häuser im Rheinauhafen brachten mich zum Lächeln, während er natürlich allerhand Schreckliches über Köln und die Kölner zu berichten wusste, aber am schlimmsten sei immer noch der Karneval, so eine verlogene Scheiße gäbe es ja wohl kein zweites Mal. Ich hatte schon vor anderthalb Stunden aufgehört zu widersprechen, ich ließ ihn einfach quasseln, hielt über den Rückspiegel in angemessenen Abständen Blickkontakt, so dass er sich sicher sein konnte, dass ich ganz bei ihm bin.
Nur wenn er explizit nachfragte, sagte ich:
„Das sehe ich anders!“
Die Nachbarin vom Erdgeschoss händigte mir meinen Schlüssel aus, er schleppte mir mein Gepäck nach oben, ich gab ihm 5 Euro Trinkgeld, er wollte erst nicht, nahm es dann doch und weg war er.
Und ich allein in meiner Wohnung.
Seltsam, vertraut und doch ein bisschen fremd.
Marie hatte mir das Bett frisch bezogen, weil ein gemeinsamer Freund von Tommy und mir ein paar Tage hier in meiner Wohnung übernachtet hatte. Er war extra zu Tommys Geburtstagsparty angereist.
Da hatte ich ja auch gedacht, er würde umkippen vor Glück in so einer ausgefeilten kleinen Prinzessinnen Wohnung leben zu dürfen. Ich habe ihm Alexa erklärt, welche Lichter sie wo anmacht, wo die Zutaten für einen geilen Espresso stehen, wo das Geschirr und die Töpfe stehen um auf dem fantastischen Gasherd leckeres Zeug zu kochen, gab ihm das Passwort für mein schnelles W-Lan, er durfte im gemütlichsten Bett aller Zeiten mit kuscheligen Federbetten schlafen, tolle Kunst an den Wänden bestaunen, unfassbar viel geschmackvolle Musik an der Wand mit dem Plattenspieler aussuchen und anhören, bezaubernde Pflanzen auf den Fensterbänken etwas wässern, interessante Bildbände und Lesestoff für gemütliche Abende der nächsten 10 Jahre anschauen oder lesen, aber nix, kein Wort, okay, das Bett hat er mal lobend erwähnt, ansonsten war er eigentlich nur unterwegs.
Ich ließ mir von den Gorillas ein paar Lebensmittel bringen, von Lieferando das Abendessen.
Die Nacht war Horror, denn die hatten in der Rehaklinik vergessen mir Medikamente oder ein Rezept mitzugeben, und ich würde erst in drei Tagen Marc, meinen Orthopäden sehen, der mir etwas gegen die Schmerzen verschreiben kann.
Am nächsten Morgen musste ich feststellen, dass mir mein geliebter Espresso nicht mehr schmeckte.
Oh Gott, ich war jetzt tatsächlich auf Filterkaffee eingeschossen.
Im Krankenhaus und in der Klinik hatten die mich in den letzten 5 Wochen so indoktriniert, dass ich nur noch Filterkaffee liebte, der Espresso war mir jetzt zu stark.
Aber ich hatte weder Filterkaffee noch eine Kanne, noch Filter oder Filtertüten.
(All das kaufte ich mir später bei Tchibo, und war wieder sooo glücklich, weil es die Keramik in rosa gab!)

Nach dem Frühstück wurde mir ein Päckchen geliefert: 3 Gläser Erdbeer-Rharbarber-Marmelade!
Mein alter lieber Schulfreund Picco, den es schon vor Jahrzehnten in den Norden des Landes verschlagen hatte, hat meine Liebe für selbstgemachte Marmelade mitbekommen und schickte mir nun einen Teil seiner frischen Produktion.
Zu köstlich! Love!

Bald schon holte mich David ab, er hatte sich ein Auto gemietet, so konnte er seine Mama hin und her kutschieren, zuerst zum Zahnarzt, der alles schnell zuzementierte, und mich beruhigte, da wäre kein Zugang zur Blutbahn, das tangiere meine Wunde überhaupt nicht, aber leider sei dieser Zahn total am Arsch, da müsse schnell eine Krone drüber, kostet 900 Ocken. So hat er das natürlich nicht gesagt, aber war ja mal wieder klar, ich hab noch nicht mal die Rechnung für diese elendig lange Behandlung zur Rettung meiner Vorderzähne, da kündigt sich schon die nächste Kostenkatastrophe an.
Das war es dann wohl endgültig mit einer Feier zu meinem 60. Geburtstag.
Der Plan, an meinem Geburtstag mit Marie nach New York zu reisen, hatten wir ja schon wegen meiner Hüft-OP auf den Herbst oder nächstes Jahr verschoben.
Ein paar Leute zu einer großen Las Vegas Show nach Berlin in den Friedrichstadt-Palast einzuladen, verlor auch immer mehr seinen Reiz, je mehr ich darüber nachdachte.
Saufen und Bars sind nicht so mein Ding, also blieb nur noch ein paar Leute zum Essen einzuladen. Aber dann richtig.
Nicht, wie schon so oft:
„Kommt bitte alle, aber zahlt für euch selber, denn ich hab kein Geld!“
Manno! Kann ich mir das jetzt noch leisten?
Und dann kommt ja auch noch mein Termin bei Fielmann nächste Woche.
Ein Brillenglas ist stark verkratzt, was sehr irritierend ist und stört, weiß nicht, ob meine Brille da noch gegen versichert ist, aber wenn sie schon erneuert wird, wollte ich gerne zusätzlich noch sich selbst tönende Gläser haben, ich bin doch so lichtempfindlich, und das kostet garantiert auch wieder bestimmt Einiges.
Tolle Geburtstagsgeschenke an mich selbst: Ein neuer Zahn und eine neue Brille.
Nein, das kann echt nicht sein. Ich werde sechzig! Das ist doch was Besonderes.
Besonders schrecklich, da braucht man doch all seine Liebsten um sich rum.
Ich muss mir da noch was einfallen lassen.
Nach dem Zahnarzt fuhr David mit mir zum Rewe am Stadtgarten. Dafür fuhren wir durchs belgische Viertel, unsere alte Heimat, hier am Brüsseler Platz sind meine Kinder groß geworden, hier hab ich tagsüber abgehangen oder gearbeitet und nachts gefeiert.
Auch schön bei diesem herrlichen Wetter hier rumzugurken, neben meinem Sohn, der immer noch frisch seinen Führerschein hat, der sehr gut fährt, ich aber aufgrund meiner Angst in Autos (und Bussen und Flugzeugen) andauernd zusammenzucke oder erschreckte Töne von mir gebe, was mir jedesmal augenblicklich leid tut, weil er vielleicht denkt, ich traue ihm nix zu, altes Mutter-Sohn-Problem, dabei macht er das toll, und ich sitze so stolz neben ihm, meinem großen Sohn, dem Mann, der er geworden ist.
Oh Schreck, er ist wirklich bald 32 Jahre alt, so alt bin ich doch noch nicht mal, bald sind wir gleichaltrig.
Völlig vergessen dass ich 60 werde. SECHZIG!
Jedenfalls kümmert er sich um seine Mama, geht mit ihr einkaufen, fährt sie nach Hause, bohrt Löcher in die Fugen zwischen den Kacheln in der Dusche und bringt mir eine Haltestange an, damit ich sicherer da stehen kann.
Er erledigt so tolle erwachsene Sachen für mich, ich genieße jede Sekunde mit ihm, meinem kleinen großen David, meinem schlauen schönen Sohn.
Und dann, kurz bevor er geht, bemerkt er einen schrillen Ton in der Küche. Wir schalten jede anderen Geräusche aus, das Radio, das Fenster zu, und halten den Atem an.
Ich höre nichts. Nicht das Geringste.
Er fasst es nicht, es ist so klar das Geräusch, wie das Zirpen einer Grille, eine Motte oder so, irgendwo hier in der Küche, womöglich in was eingesperrt.
Ich höre weiterhin nichts, das regt ihn sichtlich auf. Er hebt jetzt immer den Zeigefinger wenn das Zirpen anfängt.
Da morst eine Motte um Hilfe!
Jetzt will ich wissen welches Scheißinsekt sich da in meiner Küche verbarrikadiert hat, und er muss alles absuchen, vorher lasse ich ihn nicht gehen, wobei er ungläubig den Kopf schüttelt, wie kann ich das nicht hören?
David öffnet Schränke und Dosen, findet nichts.
Und immer wieder hebt er den Finger schaut in die Richtung des Geräuschs um mir zu demonstrieren wie regelmäßig da ein Zirpen zu vernehmen ist.
Plötzlich haben wir es.
Ich lade gerade das Akkuteil meines Akkuschraubers, und jedesmal, wenn die Kontrollleuchte des Ladegeräts rot aufleuchtet, kann er das hören!
Er hört das rote Licht!
Mein David, er hat ein reines Fledermausgehör!
Da fällt ihm auch ein,
„Achja, stimmt ja, ich höre ja auch immer bei allen Leuten dieses Standby-Geräusch vom Fernseher!“
Mein David, das ist bestimmt eine seiner Superkräfte, die ihm die liebe Göttin mitgegeben hat.
In dieser zweiten Nacht wieder keine Schmerzmedis, aber mir fällt ein wo ich noch Zäpfchen haben könnte, durchwühle mitten in der Nacht keuchend alle infrage kommenden Täschchen und finde den Stoff. Gott sei Dank!
Marc röntgt am dritten Tag meiner Freiheit meine Hüfte, ist sehr zufrieden mit dem Anblick, untersucht meine Narbe und meine Beweglichkeit im Bein und der Hüfte, auch das: alles bestens, schreibt mich bis 27.5. weiterhin krank und gibt mir ein Rezept für Schmerzmittel, immer noch Novalgin Tropfen und Dicoflenac Zäpfchen.
Daniel, mein Physiotherapeut, kommt wieder per Hausbesuch zu mir, ist auch begeistert, von der Narbe sowieso schon immer, und meine Gangart, meine Beweglichkeit, alles gut, er klebt mir wieder einen Oktopuss für die Lymphen und einen Stern zur Stabilisierung des operierten Gelenks. In schwarz sieht das noch weniger nach Kinesiotherapie aus, sondern mehr nach Fetisch.

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