Montag, 4. April 2022
- Mai Buko
- 4. Apr. 2022
- 11 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Apr. 2022
Zwischen 8:00 und 8:30 Uhr soll mich der Fahrer abholen, der mich zur Rehaklinik bringt.
Endlich, denn die Woche hier zuhause war extrem anstrengend.
Ich hatte mir zwar schon ein paar Tricks angeeignet, zB. immer mit Jutebeutel um den Hals rumlaufen, um notfalls ein Glas, etwas Obst, Schreibzeug, ein Buch oder Taschentücher und dergleichen von einem Zimmer zum anderen zu transportieren, oder das kaputte Bein gerade nach hinten strecken um mich so zu den runtergefallen Sachen (Möhren, Kugelschreiber, Schlüssel, Krücke) hin zu beugen.
Auch meine Äffchenfähigkeit, mit den Zehen leichte Dinge zu greifen, kommt mir jetzt vom gesunden Bein zugute.
Bücken geht gar nicht, rein körperlich nicht möglich, ist aber auch 100% verboten.
Man darf bestimmte Bewegungen auf gar keinen Fall machen, da sonst die Gefahr besteht, dass das Gelenk wieder rausspringt, das nennt sich Luxation, und das soll a) unfassbar schmerzvoll sein und b) dazu führen, dass alles wieder von vorne beginnt, neu operiert werden muss, nur unter erschwerten Bedingungen.
Also warnt einen jeder davor, die Schwestern und Ärzte in der Klinik, aber auch die Physiotherapeuten dort sowie mein Physiotherapeut, der zu mir nach Hause kommt ebenso.
Das hab ich selbstverständlich verinnerlicht, und ist nun meine größte Sorge.
Einig sind sich auch alle, dass es doch recht ungewöhnlich ist, dass ich so heftige Schmerzen in der Leiste habe. Hm, das gibt mir zu denken.
Marc meint bei meiner Entlassung, das geht bald vorbei mit den Schmerzen. Mein Anfangsrezept mit den Ibuprofen (die ich ja nicht schlucken kann) hat er leider noch nicht umgeschrieben, und jetzt steht ja erstmal das Wochenende bevor, da gibt er der Schwester die Order mir einfach umstandslos sämtliche Tilidin und Diclofenac mitzugeben. Novalgin hab ich noch zuhause.
Den Fahrer, der mich von der Klinik nachhause fährt, bitte ich einen winzigen Schlenker zu machen, denn Sunia wird vor ihrer Tür auf der Strasse auf mich warten und mir ein Dampfgerät, dass sie mir gestern mit ein paar Liquids besorgt hat, durchs Fenster reichen. Ich hatte mir Liquids in der Geschmacksrichtung Tabak gewünscht. Bloss nix, was an Shisha erinnert, also Erdbeer, Mandelgebäck, Sommerwiese, Pfefferminz oder Vanillepudding mit Schokosauce und was es alles für einen Scheiß gibt.
Und, ganz wichtig: kein Nikotin!
Ich will direkt kurzen Prozess machen und ganz weg von dem süchtig machenden Teufelszeug.
Jetzt habe ich immerhin schon ein paar Tage geschafft.
Nun ja, zwei erst, um genau zu sein, aber mein Schmacht fühlt sich an, als wäre ich schon seit Wochen auf Turkey.
Mit diesem Dampfrauchgerät erhoffe ich mir, vor allem jetzt zurück zuhause in meiner vertrauten Umgebung, Unterstützung im NICHT rauchen. Und weil man ja automatisch 5 Kilo zunimmt, wenn man aufhört, und sich meine Fressattacken von Schaumküssen und gefüllten Lachgummis garantiert da auch noch dazu beitragen, dass man mich bald nur noch durch die Gegend rollen kann, bitte ich Marie meine sämtlichen Zigaretten (halbe Stange) und Süßigkeiten zu entsorgen. Die Zigaretten nimmt sie sich (ohmann, würde sie doch nur auch aufhören!), die Süßigkeiten schmeißt sie weg. Sie kauft auch Brot, Wurst, Milch, Obst und noch ein paar Fertiggerichte für mich ein, damit ich mich hier unkompliziert selbst verpflegen kann. Hach, meine Mausi, sie kümmert sich so toll um mich. Die echt phänomenale Sitzerhöhung für die Toilette hat sie auch schon angebracht.
In der Woche kümmern sich ausserdem noch mein Sohn David, meine Nachbarin, Maxi, Sunia, Tommy, Clarita, Lieferando und Gorillas um mich.
An einem Tag kann ich niemanden erreichen, bzw. niemand hat Zeit, da muss ich halt am rechten Fuß fürchterlich frieren, weil ich es einfach nicht schaffe, eine Socke anzuziehen.
Den Pizzaboy, der am Abend meine Pasta bringt, lasse ich besser in Ruhe, ich hatte kurz überlegt, ob ich ihn bitten soll mal schnell reinzukommen, um mir eben mal eine Socke anzuziehen. Aber da kommt ein schüchterner 12-jähriger, der fällt doch in Ohnmacht, wenn ihn da so eine irre Alte mit sediertem Blick um so einen Gefallen bittet. Irgendwie hat das was peinlich Sexuelles. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur total verwirrt. Ich frage ihn jedenfalls nicht.
Wenn ich mal das Haus verlasse um Kaffee trinken zu gehen, bin ich völlig aus der Puste. Zweimal treffe ich mich mit Tommy im Sette, einmal mit Sunia im Stollwerck, und einmal mit Adele im Rheinau zum Abendessen. Sie hat mir einen wunderschönen Blumenstrauß und eine Genesungskarte mitgebracht, die ist voll gekritzelt bis in jede Ecke. Da haben nicht nur richtig viele Kollegen und die Chefinnen unterschrieben, sogar Bewohner sind da ganz krakelig vertreten. Ich weiß, wie mühselig das ist, den Leuten für Unterschriften auf Karten hinterher zu laufen. Meine Güte, eine solche Karte habe ich noch nie gesehen, und breche sofort vor Rührung in Tränen aus. Kann erstmal gar nicht reden. Das wiederum freut Adele, wir stoßen mit lecker Weinchen an.
Doch kleine Alltagsprobleme wie eiskalte Füße, runtergefallene Sachen oder aus der Puste sein, sind gar nichts gegen die Schmerzen, die ich weiterhin in der Leiste des kranken Beins habe. Jeder ist erstaunt, Marlies und Michael, beide haben selbst künstliche Gelenke implantiert, waren schon nach zwei Tagen schmerzfrei, praktisch erlöst von den vorherigen durchs kaputte Gelenk verursachten Schmerzen. Auch Carina berichtet von einem Bekannten, der nach 2 Wochen wieder Fahrrad fährt und locker ohne Krücken hoch in die 5. Etage steigt. Und auch im Internet gibt es keine Erklärung für die Leistenschmerzen, im Gegenteil, angeblich hören die Schmerzen in der Leiste, die man oft mal hatte, wenn man ein kaputtes Hüftgelenk hat, sofort nach der OP auf.
Waaaas???
Alle Menschen dieser Welt scheinen wenige Tage nach der OP die glücklichsten und schmerzfreiesten Menschen aller Zeiten zu sein.
Tatsächlich schmerzt mich das Implantat nicht sonderlich, klar, die Wunde, die mit über 20 Klammern im wahrsten Sinne des Wortes zusammengetackert ist, macht sich manchmal bemerkbar, dass da ein Fremdkörper in mir ist, ist auch hin und wieder unangenehm zu spüren, aber ich kann manche Bewegungen einfach nicht durchführen, weil die Leiste es nicht zulässt.
Nachts werde ich alle dreiviertel Stunde wach, weil das Bein pocht, und ich nicht mehr in der gleichen Position liegen kann, es gibt aber aktuell nur zwei mögliche Varianten: gerade auf dem Rücken liegen, was ich hasse, aber mit einem Kissen unter dem Knie des operierten Beins einigermaßen auszuhalten ist, oder auf die linke Seite gedreht, mit langem Seitenschläferkissen zwischen den Beinen, damit die Knie nicht aufeinander liegen und das Becken gerade ausgerichtet ist. Die Fummelei, die Kissen in die richtige Postion zu bringen ist anstrengend, manchmal zuckt ein brennender Schmerz durch's Bein. Die linke Schulter schreit auch schon nach Entlastung, nicht nur dieser neue Krückengang geht ihr auf den Sack, auch dieses einbetonierte auf der linken Seite Liegen.
Jedesmal wenn ich also aufwache, bin ich total erschrocken, weil ich Angst habe, ich hätte im Schlaf etwas falsch gemacht, eine falsche Bewegung, das Knie oder den Fuß falsch gedreht, und mein Gelenk springt jetzt zur Strafe jeden Moment heraus, was ja der GAU aller möglichen Varianten darstellt.
Bis zu viermal gehe ich nachts auf die Toilette, jedesmal unter Schmerzen aus dem Bett rollen und schieben, denn eine Triangel, wie im Krankenhaus, gibt es hier ja leider nicht, Gott sei Dank habe ich ein hohes Boxspringbett, das macht das Aussteigen leichter, Krücken stehen griffbereit, dann im Slalom durch meine zugegebenerweise etwas engen und zugestellten Wohnung. Danach ist man natürlich hellwach.
Dass ich so oft pinkeln muss, liegt an der Lympfdrainage, erklärt mir mein lieber Physiotherapeut, der ganz fasziniert von meiner Wunde ist.
Jedesmal wenn er das Pflaster wechselt, macht er einen Schnappschuss für mich.



Er klebt auch bei seinem letzten Besuch einen schönen Oktopus auf meinen rechten Oberschenkel und einen auf die Wade, das soll weiter die Wassereinlagerungen reduzieren und die Muskeln stärken. Ich merk nix davon, aber es sieht schön aus.

Aber das mit den Schmerzen in der Leiste bleibt wirklich ungewöhnlich, ich soll mal in der Klinik direkt den Arzt fragen, was da nicht stimmt.
Ich zweifele sehr an mir, was stimmt denn da nicht mit mir?
Wie kann das sein?
Haben die zufällig auch irgendetwas während der OP an meiner Leiste, eine Sehne oder was, angesägt?
Ich bin doch so stolz auf meine Schmerzunempfindlichkeit, bzw. meine Kraft, Schmerzen auszuhalten und so gut wie nie Medikamente zu nehmen.
Und ich hab ja oft Schmerzen, ich, die Königin der Schmerzen, ob nun Kopfschmerzen und ab und zu sogar Migräne, meine schreckliche Arthrose, also Hände, Knie, und beide Hüften all die Jahre schon, oder die furchtbaren Entzündungen, die durch meine doofen Divertikel im Darm entstehen, und regelmäßig Bauchkrämpfe verursachen, und manchmal bis zur Krankenhauseinweisung führen, wenn die zuhause begonnene Antibiose keine Besserung in Gang bringt, und auch die Bauchschmerzen die durch mein Reizdarmsyndrom entstehen, sind mehr als nervig, bis hin zu meinem brennenden Arsch...
Beim Zahnarzt loben sie meine Tapferkeit, weil ich oft auf die Betäubung verzichten kann. Wenn ich mich beim Kochen verbrenne, am Schienbein stoße, in den Finger schneide, von einer Biene gestochen werde, alles nehme ich gelassen hin. Fluche mal, aber dann ist gut.
Und jetzt?
Bin ich zum Weichei mutiert?
Und dann auch noch Schmerzen an einer Stelle, die laut den Menschen, mit denen ich verkehre, absolut nicht normal ist?
Es ist wirklich nervenzehrend und ich sehne mich ganzheitlich auf den Beginn meiner Reha und kann es kaum erwarten mit dem leitenden Arzt dort ein Gespräch zu führen.
Endlich ist es soweit, ich sitze neben den gepackten Koffern, die Marie für mich absolut professionell gepackt hat, aber, die Zeit vergeht, und kein Taxifahrer klingelt. Um 8:30 Uhr ruft er mich an, er sei bald da. Naja, um 9:30 Uhr fahren wir dann los.
Er bietet mir sofort an, dass ich im Auto rauchen dürfe, wenn ich wollte.
Hach, vor 2 Wochen wäre ich noch vor Freude in Tränen ausgebrochen.
Aber jetzt weiß ich natürlich worauf er hinaus will, ich hatte es schon ein wenig gerochen als ich in den 9-Sitzer einstieg, und erklär ihm ganz stolz:
„Nein, danke, ich bin seit Kurzem Nichtraucher, aber Sie dürfen ruhig rauchen. Machen sie dann nur bitte das Fenster ein wenig auf.“
Er fragt noch, ob mich seine Musik stört, ich verneine, seine Billo-Techno-Playlist dudelt ab da die schrecklichsten Stücke leise runter, aber irgendwie angenehm, so weit weg, manchmal wie Modern Talking, viel Vocal und Falsettgesang. Jedenfalls kann ich das besser ertragen als wenn hier jetzt Free Jazz läuft, oder Noise, oder Heavy Metal oder sonst irgendeine Art von Rock.
Schon direkt zu Anfang verabschiede ich mich von meiner sonstigen Scheinsicherheit, da ich nicht neben ihm sitze und notfalls ins Steuer hätte greifen könnte, oder die Handbremse anziehen, was ich natürlich in Wirklichkeit noch nie gemacht habe, mir aber rein theoretisch etwas Handlungsfähigkeit suggerierte. Jetzt saß ich rechts hinter ihm, musst zuschauen wie er sich auf der Autobahn nach etwas bückte, das wohl in den Fußraum gefallen war, fühlte förmlich die Nähe der Leitplanken links, der LKW rechts neben einem, die wir mit Karacho überholten. Wie schnell wir fuhren konnte ich nicht sehen, der Tacho war durch ihn verdeckt, ich konnte mich auch nicht in die Richtung bewegen um endlich zu sehen, wie schnell wir fuhren, aussichtslos. Aber ich fühlte mit jeder Faser, dass wir viel zu schnell waren. Allein die Fliehkraft, die mich bei Linkskurven rechts in den Sitz drückte, zeigte schmerzhaft (weil mein künstliches Gelenk rechts an der offenen Wunde spürbar wurde) wie schnell wir sind, und ich versuchte dem mit Armkraft entgegenzutreten und den Druck auszuhebeln. Auch die Energiekrise schien ihn nicht zu stören, denn es wurde aktuell doch ausdrücklich empfohlen nicht schneller als 100km/h zu fahren. Um Haaresbreite sind wir in meiner Wahrnehmung mehrfach dem Tod von der Schippe gesprungen.
Rechts sausten an mir weiter blattlose Bäume vorbei, die sich dunkel gegen den silbrigen Himmel abhoben. Das sah sehr hübsch aus, auch wenn es etwas traurig war, weil es schon wieder so regnerisch war. Ich durfte einfach nicht nach dem Fahrer schauen, oder in Fahrtrichtung, ich könnte ja doch nichts tun, Also immer rechts aus dem Fenster rausgucken. Mir war vor Angst etwas heiß geworden, da er rauchen durfte, durfte ich das Fenster die ganze Zeit einen Spalt breit geöffnet haben. Ich betrachtete die Landschaft, die Felder, Hügel in der Ferne, Atomkraftwerke, und andere Kraftwerke mit Rohren in absurden Krümmungen, als hätte sich jemand das aus Jux ausgedacht, riesige Windräder, die da majestätisch und elegant von den Feldern emporragten. Und immer mehr mehr von diesen Bäumen mit diesen Kugeln im Geäst. Wie sonderbar, und wie sich häuften. Was ist das bloss? Manche Bäume hatten zwei, drei solcher Kugeln, manche über zehn. Wunderschön sah das aus.

Die Kugeln sahen aus, als handele es sich um diese Dinger, deren Namen ich auch nicht weiß, aber die sieht man manchmal in alten Wildwestfilmen, wenn es um abgelegene Orte in der Wüste geht, mit nur einem Saloon, und der raue Wind treibt roten Staub und diese Geästkugeln vor sich her.
Okay, Leute, ich hab es jetzt gegoogelt. Diese Dinger in der Wüste nennen sich richtigerweise „Steppenläufer“!
Weil es so interessant ist, hier die Info auch für euch:
Der Steppenläufer (Salsola tragus), auch bekannt als Steppenhexe oder Tumbleweed, ist ein ursprünglich aus Russland stammender, und heute auch durch Einführung über Immigranten in Australien und Nordamerika heimischer Busch.
Die Steppenläufer sind die aus manchen Western bekannten rollenden Büsche. Die Pflanze ist jedoch die meisteZeit im Jahr ein gewöhnlicher, saftiger, im Boden festgewachsener Busch. Erst im Herbst bricht sie an einer Sollbruchstelle von den Wurzeln ab, trocknet aus, nimmt die typische Kugelform an und wird vom Wüstenwindverweht. Diese Verbreitungsart nennt sich Chamaechorie. Dabei verbreitet sie ihre Samen. In Australienunterstützt eine Larve den Steppenläufer dabei, indem sie sich in den Stamm nahe der Wurzel einbohrt, wodurchder Busch an der Bohrstelle abbricht.
Toll, oder?
Die Russen, echt!
Und weil ich natürlich wissen wollte, was das für Kugeln in den Bäumen waren, postete ich Fotos davon auf Instagram und bat um Aufklärung.
Marie war die erste, die mir erklärte, dass es sich dabei um Misteln handelt.
Auch wahnsinnig interessant, ich kannte Misteln nur als diese Zweige die man zu Weihnachten am Türrahmen aufhängt und man sich dann darunter küssen muss.
Ich dachte immer die kommen aus ganz exotischen Ländern, dabei gibt es sie überall, sind Schmarotzer sozusagen, bedienen sich am Wasservorrat der Bäume, auf denen sie heranwachsen.
Irgendwann nahm ich mal die Maske ab, atmete am Fenster frische Luft ein, und als ich sie mir später wieder nach oben zog, meinte der Fahrer:
„Ach was, Sie müssen die Maske nicht aufhaben, wir fahren immerhin noch 2 Stunden! Ist doch kein Problem!“ „Aber wir sind in einem engen Raum...“ begann ich zögerlich.
Er: „Ist doch Quatsch, Sie sind geimpft und getestet, ich bin dreifach geimpft, sonst dürfte ich den Job gar nicht machen!“
Wenn ich jetzt die Maske nicht runternehme ist das ein persönlicher Affront gegen ihn.
Ich traue ihm nicht, ich bin hysterisch, ich halte mich für was Besseres, ich halte mich für schlauer usw. Also lass ich die Maske unten, und hoffe, dass ich jetzt damit nicht mein Todesurteil unterschrieben hab. Denn bei einer Corona-Infektion, bzw. allein schon wenn der Schnelltest positiv zeigt, muss ich auf der Stelle von der Reha-Klinik abreisen. Das wäre ja ne kurze Freude.
Herrjeh, warum hab ich manchmal eine große Fresse wie so ein Vollasi, und manchmal krieg ich das Maul nicht auf, und kusche.
Ohne eine Ankündigung schert er nach circa zwei Stunden aus, fährt auf einen Rastplatz, ohne Tankstelle oder Restaurant, einfach nur Parkplätze voller Brummis und ein Klohäuschen. Er steigt ohne ein Wort aus, bleibt für mehrere Minuten in diesem Klohäuschen. Manno, ich wäre auch gerne mal ausgestiegen, hätte mal gerne die Beine ausgestreckt. Aber dafür brauche ich Hilfe, ich würde ja nicht mal diese Schiebetür aufkriegen, geschweige denn ohne dieses Holztreppchen, das er beim Einstieg für mich hatte, das Auto verlassen können. Er kommt nach ewigen Zeiten zurück, sagt wieder nichts, und fährt einfach weiter.
Das Auto ist so komisch gebaut, oder ich hab mich so doof platziert, dass ich nicht nur den Tacho nicht sehen kann, sondern auch das Lenkrad nicht, und also nicht rauskriegen kann, was das überhaupt für eine Automarke ist. Ich interessiere mich keinen Millimeter für Autos, aber das macht mich dann jetzt doch leicht wahnsinnig. Gut daran ist allerdings, dass sich durch diese Konstruktion unsere Blicke nicht im Rückspiegel begegnen. Das ist mir meist bei Taxifahrten etwas unangenehm. Ich will nicht angeguckt werden. Hau ab.
Bis das wir ankommen, schaue ich also weiter rechts aus dem Fenster. Endlos ziehen Birken an mir vorbei. Ich liebe Birken so sehr. Hab sie schon als Kind geliebt. Ich fand sie schon immer so wunderschön, schlank und elegant. Meine ersten Zeichnungen als Zehnjährige waren Birken. Schön mit Kohle gemalt. Weiß, schwarz, alle grauen Töne.
Birke, du wundervolles Naturprodukt!
Schon fahren wir durch dörfliche Gegenden. Kuhherden, grüne Wiesen, Höfe, alte schöne Höfe aus Fachwerk, fiese neuere Höfe, bah, Kurven, Kreuze am Strassenrand, wahrscheinlich für die Jugendlichen, die hier auf der Flucht ihr Leben gelassen haben.
Und Oh!
Da sind wir schon in der Klinik angekommen.
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