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Montag, 25. Mai

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 25. Mai 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Ich muss nüchtern bleiben, denn gleich geht’s zum Check up.

Impfpass nicht vergessen.

Die Auszubildende macht all diese Scheißvorarbeit, Urintöpfchen annehmen, Blutdruck messen, Blut abnehmen, EKG, Größe und Gewicht abfragen, dann will sie meinen Bauchumfang messen.

Um Gottes Willen, wieso das denn? Das habe ich ja noch nie gehört!

Und noch nie machen müssen.

Das ist ja wohl voll peinlich, zumal ich wieder zugenommen habe. Und zwar ausschließlich am Bauch. Wie immer in Arztpraxen bin ich aber voll kooperativ und schlucke meine Verweigerungsansätze einfach runter.

Prompt spricht mich dann der Arzt als ich endlich zu ihm darf auch darauf an.

Mein BMI wäre gut, aber der Bauchumfang erscheine ihm etwas zuviel.

Schluck.

„Ja. Ich hab zugenommen. Ich nehme immer nur am Bauch zu. Sehen Sie? Meine Arme, Beine und so bleiben normal.“

Ich recke ihm meine schlanken Handgelenke entgegen.

„Okay.“

Er findet die Ergebnisse meiner anderen Werte sehr schön, alles fein.

„Sehen sie mal diese herrliche Sinuskurve ihres Herzschlags, wunderbar.“

Dann er fragt mich jetzt auch noch allerlei Dinge, und rauchen tun Sie ja nicht, oder?

„Doch.“

„Was? Wirklich?“

„Ja.“

„Wieviel?“

„Das sag ich nicht!“

„Also Frau Buko, jetzt kennen wir uns schon so lange, sagen Sie mir bitte wieviel Sie rauchen.“

„Nein.“

„Frau Buko, bitte!“

„Ach Mann. Nagut.“

Ich sag ihm eine Zahl, die mir im Rahmen scheint.

„Als Arzt muss ich Ihnen natürlich sagen, dass das schädlich ist. Aber vielleicht gehören Sie ja zu den Glücklichen, denen nichts passiert. Vielleicht sind Sie ja wie Helmut Schmidt. Aber vielleicht auch nicht. Also, versuchen Sie aufzuhören.“

„Hm.“

„Also gut, dann machen wir beim nächsten Mal noch einen Lungenfunktionstest:“

„Aber da bin ich auch immer voll gut drin! Sie werden sehen!“

Dann hört und klopft er mich ab, und macht kleine fiese scherzhafte Bemerkungen, wie:

„Ich schau mir mal an, ob ihr Fuß noch Reflexe hat, oder ob da schon ein Raucherbein unterwegs ist.“

„Noch hört sich ihre Lunge gut an.“

Verstanden, Doktor.

Beim Ultraschall ist er wie immer wenn er mit dem Ultraschallgerät rummachen kann, völlig fasziniert und erklärt mir wo was ist, und wie schön das aussieht.

„Ah, da ist die Niere, alles in Ordnung, sehen Sie!“

„Hm.“

„Hier die Leber, wunderbar, nichts Bedenkliches zu erkennen.“

„Wo?“

„Da.“

„Die ist aber groß!“

„Ja, das ist aber noch okay. Unser Lebenswandel trägt natürlich dazu bei, Alkohol, fettes Essen undsoweiter, aber das hier ist noch völlig normal.“

Ich meinte eigentlich im Vergleich zur Niere, was weiß ich denn wie groß eine Leber sein muss. Dann entdecke ich selbst auch was:

„Da vorne, das sieht aus, als wäre es ein Baby, ein Embryo!“

„Das wäre ja jetzt eine lustige Überraschung!“

„Allerdings. Ich könnte im Leben nichts erkennen bei diesen Aufnahmen. Höchstens das Herz.“

„Weil es sich bewegt, wie schlau. Ach, wenn man das ein paar mal gemacht hat, ist es ganz einfach. Sehen Sie mal die Bauchschlagader!“

Er ist ganz entzückt und macht jetzt noch den Ton an, es bumpert gleich los.

Manchmal muss ich tief einatmen und die Luft anhalten, damit er Aufnahmen davon machen kann um die Größe oder so zu berrechnen.

Er ist voll in seinem Element und schmiert mir dann noch das Glibberzeug an den Hals, weil meine Schilddrüse auch noch kontrolliert werden muss. Den Rest werden die Blutergebnisse morgen zeigen, ob zum Beispiel vielleicht meine L-Thyroxin-Dosis wieder erhöht werden muss.

Weil er sich offenbar angewöhnt hat alles, wirklich alles zu erklären was er gerade macht, erklärt er mir, warum er gerade so gegrummelt hat, weil er „Hashimoto“ falsch geschrieben hat, aber das sei ihm jetzt auch egal.

Wir sind beide sehr zufrieden mit mir, alles Gute, bis demnächst!


Mittlerweile haben wir schon 11 Uhr, mein Magen knurrt, also gönne ich mir jetzt ein fürstliches Frühstück, hole mir dafür bei Merzenich vier von diesen köstlichen, superteuren, sehr kleinen, handgemachten Brötchen.

Dann kann ich auch schon bald los zu meiner Osteopathie-Sitzung.

Als wir den Termin ausgemacht haben, hat sie mir erklärt, dass bei der ersten Sitzung für gewöhnlich die meiste Zeit für die Anamnese draufgeht. Da die Sitzung aber ein Geschenk ist, will sie sich etwas mehr Zeit nehmen, so dass ich auch noch irgendwie behandelt werden kann.

Die Praxis ist hübsch, die Osteopathin sehr sympathisch, wir einigen uns darauf uns zu duzen. Sie bietet mir ein Glas Wasser an, aus einer Karaffe in der unten lila Steine liegen.

Ich erzähle ihr also so kurz wie möglich meine Lebensgeschichte, also alles was mir zu meinen physischen wie psychischen Gebrechen einfällt.

Sie lacht an den richtigen Stellen, ich mag sie und vertrau ihr.

Dann geht es los, ich darf auf die Massageliege. Sie findet wirklich winzige Punkte, an denen es schmerzhaft ist, wenn sie sie drückt. Fragen über Fragen, interessant irgendwie, und als sie mir von meinem zu engen Diaphragma am Hals berichtet, und ich ihr entgegne, dass ich den Begriff nur aus der Empfängnisverhütung kenne, erklärt sie mir anschaulich um was es sich dabei handelt. Ich hab mir nicht alles merken können, aber sie dehnt diese Zone durch Massagen, bearbeitet dann mehr mein Diaphragma am Zwerchfell und freut sich, dass dadurch am Hals mehr Raum entsteht.

Ich genieße diese Behandlung wie ich eine Massage genieße. Ich liebe es, wenn Profis sich meinem Körper widmen, hier mal drücken oder da mal rollen, klopfen und kneten, selbst kleine Schmerzen nehme ich dann in Kauf, da ja alles nur einem Zweck dient, meinem Wohlgefühl.

Ich fühle mich am Ende tatsächlich entspannt und frisch, glaube sogar besser atmen zu können. Wir plaudern noch ein wenig, natürlich auch wieder über mich, alles dreht sich um mich, wie herrlich, dass das in diesem Kontext mal nicht narzistisch ist. Ich komme wieder, auf jeden Fall.


Auf dem Rückweg radle ich am Rhein durch die Altstadt, normalerweise kommt man hier vor Touristen gar nicht durch, aber jetzt ist es wie ausgestorben, an den leeren Terrassen der Cafés und Restaurants lehnen sich bemundschutzte Kellner gelangweilt an die Sonnenschirme. Das lass ich mir nicht zweimal sagen, und suche mir einen Laden mit besonders hübschen Korbstühlen aus.

Der Kellner kommt angeflitzt und hält mir wortlos eine Blumensprühflasche hin, ich strecke ihm ebenso wortlos meine Hände entgegen, er sprüht sie ein, und während ich mir die Hände einreibe, fragt er nach meinen Wünschen.

„Ein Pils, bitte.“ Huch, was ist denn mit mir los? ich wollte doch eigentlich einen Kaffee.

Das gefällt mir aber, als wäre es nie anders gewesen, völlig normal, als würde ich seit Jahren hierher kommen, Bier trinken und immer ganz beiläufig erstmal die Hände desinfizieren.

In der Zeit, in der er mein Getränk holt, fülle ich den Zettel aus. Alle anderen, die sich hier eingetragen haben waren Touristen, Postleitzahlen mit 0 und 3 am Anfang.

Ich hab tierisch Kopfschmerzen, entweder kommt das von der Sitzung gerade oder weil ich wieder Augenjucken und so habe und gestern Abend natürlich mein Cetirizin vergessen.

Das Pils gibt es nur in halben Liter Krügen, das schaffe ich nie im Leben.

Tommy lässt sich nicht erweichen mich hier zu treffen, das sei ihm zu weit. Pfft, maximal 10 Minuten mit dem Fahrrad. Dann eben nicht.

Mehr als die Hälfte schaffe ich tatsächlich nicht, ich möchte zahlen, 6 Euro kostet das Bier. Kein Wunder, dass hier keine Einheimischen verkehren.


Dafür treffen wir uns nach meinem Einkauf im Sette. Neben dem Sette hab ich mir aus einem Sperrmüllhaufen ein Peantus-Weihnachtsbuch und ein Kartenspiel gefischt.

Als Tommy kommt, habe ich die Spielanleitung durch, und zwinge ihn sogleich es mit mir zu spielen. Das ist super, ein richtiges Klugscheißerspiel. „Anno Domini“ heißt es. Irgendwelche Begebenheiten müssen chronologisch unter oder über die erste offen gelegte Karte gelegt werden. Wurden die ersten Münzen in Schwarzafrika geprägt bevor vornehme Damen Gesichtsmasken aus Ochsengalle und pulverisierten Strausseneiern gegen Runzeln benutzten? Gab es die erste Vinylplatte vor oder nachdem die Prostituierte Lee Wournos sieben Freier in ihren Autos nackt beim Liebesakt erschoss?

Tommy gewinnt.


Den Rest des Tages wie im Rausch nur noch tolle Musik gehört. Bis tief in die Nacht auf Youtube alte Schätzchen ausgegraben, ob Disko, Rave oder Techno und House, es versetzt mich bei manchen Klängen so krass in die jeweilige Zeit, dass ich die selben aufgeregten Gefühle empfinde wie damals.



ree







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