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Montag, 19. Oktober

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 19. Okt. 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Nov. 2020

Das ganze dienstfreie Wochenende mit höllischen Schmerzen in der Leiste verbracht, nachts keine passende oder halbwegs schmerzfreie Liegeposition gefunden, so dass ich tausendmal wach wurde und mein Bein mit den Händen umlegen musste, dementsprechend völlig müde durch den Tag gekrochen, und nur noch fähig ohne Ende Dokus zu schauen, die wenigstens noch irgendeinen Mehrwert haben, sagen wir mal Bildung.

Es fing an mit einer Doppelfolge über die Entstehung und Entwicklung des Louvre, „Die Louvre Saga“, danach eine andere Doku „Der Louvre unter Wasser“, anschließend „Der Louvre zieht um“.

Nachdem ich jetzt Fachmann in Sachen Louvre war, und damit aber auch meine romantische Ader angesprochen wurde, schaute ich mir fast alle Folgen der Serie „Künstlerliebespaare“ an. Folgende Liebesgeschichten kenne ich nun in und auswendig:

  • Gabriele Münter & Vassily Kandinsky

  • Paula Becker & Otto Modersohn

  • Jeanne Hébuterne & Amedeo Modigliani

  • Georgia O'Keeffe & Alfred Stieglitz

  • Emilie Flöge & Gustav Klimt

  • Claude Cahun & Marcel Moore

  • Gerda Taro & Robert Capa

Frida Kahlo und Diego Rivera, aber auch Camille Claudel und Auguste Rodin sparte ich mir, deren Geschichte kannte ich schon vorher bis ins Detail.

Als ich die Liebespaare soweit durch hatte, interessierte mich die Rolle der Frau innerhalb der Kunst in den vergangenen Jahrhunderten und ich sah mir eine Doku über drei Malerinnen der Renaissance an, von denen ich noch nie gehört hatte: Sofonisba Anguissola, Lavinia Fontana und Artemisia Gentileschi. Wunderschöne Namen, tolle Frauen offenbar. Dass sie es überhaupt geschafft hatten malen zu dürfen, grenzt an ein Wunder.

Weiter ging es im Bildungsprogramm mit der Reihe „Zahlen schreiben Geschichte“, ich schaute mir den Prozess gegen Sokrates (399 v.Chr.) und die Gründung Roms ( 21.4.753 v. Chr.) an.


Merkel wendet sich in einer Videobotschaft nochmal eindringlich an ihr Volk, sie fordert die Bürger dazu auf, zu Hause zu bleiben und Kontakte zu beschränken. „Wir sind jetzt in einer sehr ernsten Phase der Corona Pandemie“.


Bauchkrämpfe gesellen sich nachts zu meinen Leistenschmerzen, vielleicht habe ich doch zuviel Kohlarten die letzten Tage gegessen.


Die Arbeitswoche fängt wieder an, ich humpele und halte mir den Bauch, aber bleibe tapfer am Ball.

Ich konfrontiere meinen Vater mit meiner neuesten Erkenntnis, lasse ihn aber raten.

„Papa, was glaubst du habe ich von dir geerbt? Ich sehe dir nicht ähnlich, wir sind grundverschieden, aber glaubst du, es gibt irgendetwas, das ich von dir habe, wo wir uns ähnlich sind?“

Er zuckt die Schultern.

„Mathematik?“

„Oh Gott nein, Mathematik schon mal gar nicht. Ich verstehe Mathematik nur rudimentär. Dieses Interesse hat wohl eine Generation übersprungen, ist bei David gelandet. Rate noch mal.“

„Geschichte?“

„Das schon eher. Mein Interesse an Geschichte ist bestimmt so groß wie deins, aber du hast da einfach den besseren Überblick, das größere Wissen. Du kannst dir ja auch alles merken, alle Zahlen, alle Zusammenhänge. Ich dagegen vergesse ja alles. Also, was glaubst du, haben wir gemeinsam?“

Er zuckt wieder die Schultern, gibt sich geschlagen.

„Du kannst nichts Liebes sagen, du kannst niemanden loben, du hebst immer nur die Dinge hervor, die nicht laufen. Das habe ich von dir!“

Da lacht er.

„Aber das stimmt doch, ich bin lieblos, schroff, und zynisch. Genau wie du!“

Dann erinnere ich ihn an die Geschichte, als ich Mitte zwanzig in einer Psychotherapie war, und meine Eltern einmal dazu kommen sollten. An einem Punkt forderte der Therapeut meinen Vater auf, mir, seiner Tochter, doch einmal zu sagen, dass er mich liebe. Er kam nicht direkt raus damit, ich begriff wie schwer es ihm fiel, nicht weil er mich nicht liebte, sondern weil er es nicht sagen konnte. Als er es dann letztendlich aussprach, kamen mir die Tränen. Wegen der Überwindung, weil seine krampfige Überwindung noch viel mehr seine Liebe zeigte, als die Worte.

„Ich glaube, das war das einzige Mal, dass du mir gesagt hast, dass du mich liebst. Aber ehrlich gesagt, hab ich dir ja auch nie gesagt, dass ich dich liebe. Siehst du, wie ähnlich wir uns sind?“

Da lachen wir beide.

Er fragt mich, was ich glaube, was er von seinem Vater hat.

„Deine Intelligenz? War er auch so ein Rationalist?“

„Mein Vater war kein Nationalist.“

„Hahaha, nein, ich meinte Ratio… Deine Mutter war wohl eher eine Nationalistin.“

„Was habe ich denn von meiner Mutter?“

„Das ist leicht. Deine künstlerische Ader, dein Talent zu malen und zu zeichnen, deine kreative Seite.“

Er nickt und wirkt schon wieder sehr müde, ich sehe ihm förmlich an, wie er nachdenkt und dabei fallen ihm irgendwann die Augen zu.


Ich verlasse sein Zimmer und bereite mein Gruppenangebot vor. Mal wieder Gedächtnistraining. Mal wieder anhand des Stadt-Land-Fluss-Spiels.

Frau Z. und Frau St. sitzen fast nebeneinander, offenbar in dem wohligen Gefühl da eine nette Frau neu kennengelernt zu haben.

Diese Runde von 5 Leuten ist eine reine Zeitschleife mit Wiederholungen im Minutenrhythmus.

Frau St.: „Ach, das ist ja zum Verrücktwerden. Man denkt, ich weiß es, es liegt mir auf der Zunge, aber dann kommt es nicht!“

Frau Z. kichert: „Ja, genau, das geht mir ganz genauso.“

„Macht nichts, vielleicht kennt ja jemand anders eine Pflanze mit „E“. Gemeinsam finden wir schon was, und Hauptsache ihr überlegt mit!“

Herr B.: „Edelweiß“

„Richtig! Edelweiß, sehr gut!“

Frau St: „Erbsen“

„Na sehen Sie, Frau St. schon funktioniert’s! Toll! Okay, jetzt ein Tier mit „E“.

Frau St.: „Ach, das ist ja zum Verrücktwerden. Man denkt, ich weiß es, es liegt mir auf der Zunge, aber dann kommt es nicht!“

Frau Z. kichert: „Ja, genau, das geht mir ganz genauso.“

Frau M.: „Esel!“

Frau St.: „Esel, ja genau! Man kommt einfach nicht drauf!“

Frau Z.: „Hihi, ist bei mir genauso.“


Eine andere Schleife dreht sich um die frisch geschminkten Lippen von Frau Sch.

Frau St. raunt ihrer Sitznachbarin zu, dass diese Frau da aber ihre Lippen grell geschminkt hat. Sie denkt, sie spricht leise, aber es hören natürlich alle. Zuerst ignorieren wir es, auch Fr. Sch. reagiert nicht, verzieht nur ihr Gesicht.

Plötzlich spricht Fr. St. Frau Sch. an:

„Entschuldigen Sie, kann ich sie mal was fragen?“

Ohne abzuwarten fragt sie sofort:

„Warum haben Sie sich die Lippen so grell geschminkt?“

Frau Sch. ist empört, schaut zu „ihrem Mann“ Herrn B. und sagt ihm:

„Was geht die Alte das an?“

Ich vermittele sofort und meine:

„Der Lippenstift passt halt schön zu ihrer Haarfarbe. Aber jeder Jeck ist anders, die Geschmäcker sind verschieden, muss ja nicht alles allen gefallen.“

Frau St. : „Ja, kann schon sein. Mir gefällt es jedenfalls nicht. Aber soll doch jeder machen was er will. Mir gefällt das gar nicht. Hauptsache dem Mann gefällt es.“

Herr B.: „Also mir gefällt’s!“

„Prima! Zurück zu einem Land mit „M“.

Frau St.: „Ach, das liegt mir auf der Zunge, das ist ja zum Verrücktwerden. Man kommt einfach nicht drauf, dabei ist ist es so nah!“

Frau Z. kichert: „Mir geht es ganz genauso.“

Frau St. flüstert: „Die Frau hat ja ihre Lippen viel zu stark geschminkt!“

Frau Sch., plötzlich besorgt: „Wer passt eigentlich gerade auf die Kinder auf?“


Als das Angebot zu Ende ist und ich mich nach dem Aufräumen auf den Weg mache, verabschiedet sich eine Bewohnerin, die nur passiv, also etwas fernab, teilgenommen hat, aber durchaus aufmerksam den Gesprächen gefolgt ist:

„Vielen, vielen Dank! Alles Liebe und Gute Ihnen und Ihren Angestellten!“


Beim Treffen mit Tommy im Forum erzähle ich ihm mal wieder vom kompletten Tag mit allen Dialogen, was immer sehr spaßig ist, weil ich dabei noch in den jeweiligen Dialekt verfalle, allerdings nur den kölschen beherrsche und die anderen sich alle immer ein bisschen schwäbisch anhören.

Der falsche Rocko taucht nicht auf, aber seine beiden Kumpels sitzen nebenan, das weckt schon die Erinnerung an ihn, und nervt.


Um 19 Uhr habe ich meine erste Verabredung zum Walking mit meiner Katzennachbarin. Sie hatte die Befürchtung dass ich mit diesen Stöcken ankomme, aber ich beruhige sie:

“Um Gottes Willen, bloß nicht. Wir wollen ja bloß ein wenig Bewegung und Kondition raufschaffen. Und zwar gelenkschonend.“

Als wir die vorgenommenen 20 Minuten lang ungezählte Male im Kreis um den Trude Herr Park gewalkt sind, meint sie, sie werde sich aber vielleicht doch so Stöcke oder Gewichte holen, damit sie damit rumwedeln kann, das könne ja den Armen nicht schaden.

„Dann kannst du aber 2 Meter hinter mir gehen! So sieht es wenigstens so aus als würden wir gemütlich joggen, was nicht ganz so peinlich ist.“

Wir wollen jetzt Montags, Mittwochs und Freitags jeweils mindestens 20 Minuten walken, vielleicht können wir es noch steigern, und wir machen aus, dass wir nur einen von diesen drei Terminen absagen dürfen. Oder es regnet.



ree


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