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Montag, 18. Mai

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 18. Mai 2020
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 20. Mai 2020

Jetzt ist es also soweit. Ich hab Geburtstag.

Das Aufregendste am heutigen Tag wird sein, dass Tommy und Clarita mich outen werden, also meine Blogseite öffentlich machen.

Meine Angst kann sich kein Mensch vorstellen!

Auch wenn ich das hier jetzt schreibe, zu wissen, dass das jetzt vielleicht zwölf Leute mitlesen.


Nach dem Frühstück beschäftige ich mich bis kurz vor 15 Uhr mit Korrekturlesen meiner Beiträge, was furchtbar ist, neben Grammatik- und Schreibfehlern, die ich finde, durchleide ich ohne Ende Schamanfälle mit heißem Kopf und Herzrasen.

Ich komme aber nur bis Mitte April, denn Glückwunschanrufe und Nachrichten unterbrechen mein konzentriertes Arbeiten.

Und dann muss ich auch schon los. Meret, Gregor und Tommy wollen sich mit mir im Sette treffen. Sunia möchte etwas später auch noch dazu stoßen.

Wir haben Glück, denn zwei kleine Tische sind nebeneinander frei, die dürfen wir natürlich nicht zusammenrücken, 1,50 m Abstand müssen schon noch bleiben.

Sie haben mir einen tollen Fesskorb mit italienischer Feinkost zusammen gestellt und für eine Sitzung bei einer Osteopathin zusammengeschmissen. Mein größter Wunsch seit langem. Ich verspreche mir davon natürlich Wunderheilung.


Am Nachmittag dann die Posts auf Facebook von Tommy und Clarita, jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Hahaha, jeder weiß wer Tommy ist, spätestens jetzt.

Sie haben beide tolle Ankündigungstexte geschrieben, ich bin ganz gerührt und gleichzeitig hochnervös.

Erste Rückmeldungen kommen bei mir an, vor allem wird auch ein Problem angesprochen, was die Umständlichkeit des Lesens betrifft, nach jedem Beitrag, den man von unten liest, also in chronologischer Reihenfolge, muss man wieder langwierig nach unten scrollen, weil man beim Schließen des Beitrages wieder ganz oben, also beim aktuellen Text landet, was total nervt.

Das wiederum nervt mich, weil ich keine Lösung für dieses Problem finde. Ich werde immer nervöser, mir ist sogar schlecht, hoffentlich versaue ich mir damit nicht das Abendessen.


Marie kommt um halb sieben um mich abzuholen, David natürlich erst kurz vor sieben, aber immerhin. Er nimmt sich endlich das Fahrrad, das seit Monaten in meinem Hof vor sich hin schimmelt, so radeln wir zu dritt zum Restaurant. Auf dem Weg erleide ich tausend Herzinfarkte, weil beide Kinder total Horror auf ihren Rädern unterwegs sind.

Marie, hinter mir, ist zu wackelig und David, vor mir, eher rücksichtslos, dazu bremst er unnötig alle naslang, weil das ein unfassbar schlimmes Quietschgeräusch macht, was er sehr witzig findet. Als wir ankommen bin ich fix und fertig.

So fertig wie damals, als ich den Kindern Fahrradfahren beigebracht habe, David immer voll Stoff kamikazemäßig auf das nächste Hindernis zu, Marie ängstlich und weinerlich, immer darauf bedacht, dass ich sie bloß nicht loslasse. Beides extrem anstrengend, mit fünfjährigem Abstand dazwischen.

Vor lauter Sorge würde ich am liebsten beiden die Fahrräder sofort wieder abnehmen. Aber sie sind ja leider schon erwachsen. Und die Kinderjahre mit Fahrrad haben sie und ich ja auch überlebt. Nur David hat noch eine Narbe, weil er sich bei einem Zusammenstoß mit einer Laterne mal das halbe Ohr abriß.


Tommy sitzt schon am Tisch, es gibt eh nur drei Tische draußen, nur ein weiterer ist noch von zwei Frauen besetzt. Der Kellner ist so übertrieben servil, dass es schon weh tut. Aber er meint es ja gut. Weil das, was ich ursprünglich essen wollte, aus ist, wird mir etwas extra gekocht, ich darf meine geliebten Tagliatelle agli agrumi bestellen, obwohl sie heute nicht auf der Karte stehen. Wir trinken ordentlich Wein, den zweiten Grappa aufs Haus muss ich zu Tommy weiterschieben, sonst kotz ich. Wir lachen sehr viel, es ist wirklich wunderschön und entspannend mit meiner kleinen Familie hier zu feiern.


Zuhause erreichen mich noch späte Glückwunschanrufe.

Frank meldet sich aus Hamburg, empfiehlt mir im Laufe des Gesprächs dringend Microdosing. Er muss mir erstmal erklären was das ist. Meine Abwehrversuche, ich hab Angst vor Drogen, das geht gar nicht mehr bei mir, aus dem Alter bin ich raus, brauch ich doch gar nicht usw., lässt er nicht gelten, gerade dann würde es sich anbieten, weil es Angst nimmt, Kreativität steigert und sowieso so micro sei, dass es nur einen Hauch von Wirkungen auslöst, der aber sei sagenhaft.

Ich komme nicht gegen ihn an, wenn er etwas feiert, ist er so missionarisch unterwegs, dass man das nicht entkräften kann. Egal ob es um Microdosing geht, oder Brazilian Jiu Jitsu, einen bestimmten Film, ein bestimmtes Buch oder generelle Lebenspraktiken.

„Okay, dann schick mal rüber.“

„Das geht nicht, das musst du dir am besten in der Schwulenszene besorgen.“

„Oder von meinen Kindern.“

„Nein, das würde ich nicht machen, bei den Kids kann man nicht so auf seriöse Händler bauen.“

Ich werde natürlich weder in der Schwulenszene und schon gar nicht bei meinen Kindern nachfragen. Mir reicht die Info, dass es das gibt und dass es irgendwie spirituell ist.


Heute zum letzten Mal die traditionelle Statistik:

23:00 Uhr

176.551 Infizierte 8.003 Todesfälle 155.041 wieder gesund



ree





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