Montag, 15. Juni
- Mai Buko
- 15. Juni 2020
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Juni 2020
Ab heute dürfen die Grundschulschüler wieder fast normal zum Unterricht gehen. Die meisten Grenzen in Europa sind offen, die ersten deutschen Urlauber sind auf Mallorca gelandet und wurden unter Beifall begrüßt, in Österreich muss niemand mehr Maske tragen, organisierte Feste bis 50 Personen sind erlaubt, Angehörige dürfen die Bewohner aus den Seniorenheimen zu Spaziergängen abholen, auf den Strassen sieht es eh schon seit geraumer Zeit aus, als wäre alles vorbei.
Der niedrigste Stand an Infizierten in Köln war am 4. Juni, und betrug 37 Personen, heute ist er wieder leicht angestiegen und liegt bei 56 Menschen.
Corona ist irgendwie dauernder Bestandteil meines Alltags und gleichzeitig schwinden die Vorsichtsmaßnahmen und die Einstellungen meiner Freunde dazu teilen sich auch immer mehr.
Ist es ein weiteres Zeichen das Corona verschwindet, dass meine psychosomatischen Störungen wieder an allen Ecken und Enden aufblühen?
Während der harten Krise war ich die Trümmerfrau, voll unermüdlicher Energie und Kraft.
Seit Tagen aber verschlimmert sich mein Allgemeinzustand, das könnte natürlich auch bedeuten, dass ich doch irgendeine noch unentdeckte tödliche Krankheit in mir trage, die so subtil an verschiedenen Stellen wütet, dass bei meinem Check-up kürzlich nichts festgestellt wurde. Ok, der Doktor hatte gesagt, dass meine Entzündungswerte erhöht seien, aber das seien sie ja immer bei den letzten Untersuchungen gewesen. Das könne am Rauchen liegen.
Oder vielleicht doch ein Hinweis darauf, dass da schon lange etwas in mir brodelt, und nur keiner meiner Ärzte eins und eins zusammenzählen kann?
Ich bin atemlos, schlafe schlecht, weil mich entweder Waden-, Oberschenkel- und Fußkrämpfe wecken, wobei die jetzt auch noch ganz normal über den Tag verteilt auftauchen, oder Bauchschmerzen. Heute Nacht kam etwas Neues hinzu: ich wurde durch heiße Nadelstiche in Körperregionen, die ich nicht erreichen kann, geweckt. Stellen am Rücken, die ich nicht kratzen kann, und mich dieser juckende, brennende Schmerz in den Wahnsinn treibt.
Ich bin steif und ungelenk, bekomme kaum die Arme über den Kopf, meine Knie und die Beine insgesamt sind ein Desaster, schmerzen, manchmal humpele ich, mein Bauch fühlt sich seit Tagen an, als ob ich einen Medizinball verschluckt habe, der Oberbauch manchmal hart, wenn ich dann in Panik gerate und denke, okay, jetzt gehst du besser doch mal zum Arzt, wird er wieder weich, und dann schmerzt der Unterbauch, meine Körperhaltung hat sich dem latenten Bauchweh angepasst, was zu weiteren Nacken- und Rückenschmerzen führt.
Meine Ohren jucken wie verrückt, weshalb ich schon seit Jahren Q-Tip süchtig bin. Das morgendliche Rumstochern im Gehörgang führt nicht nur zu einem äusserst befriedigenden Entspannungswohlgefühl, sondern auch dazu, dass das Ohr weiter austrocknet und wie verrückt juckt.
Am Wochenende hatte ich mir durch einen einzigen Cashew-Erdnuss-Keks ein riesiges Stück Zahn herausgebrochen. Oder da war eine Plombe, ich erinnere mich nicht. Man sieht nichts, aber ich ertaste mit der Zunge am letzten Backenzahn oben links ein Loch in der Größe einer Melone. Die Zunge ist natürlich auch schon angerissen durch die scharfen Kanten der Ruine, die sich da reinsägen. Apropos Säge: Mit einer Kreissäge wird morgens ab halb 8 erstmal irgendwas in der Nachbarschaft bearbeitet. Das feine schrille Geräusch erreicht meinen Stirnlappen, worauf ich mir wieder übersprunghandlungsmäßig an einem kleinen aufgekratzten Löchlein auf dem Kopf den Schorf abpiddele, und mir so irgendwann das Gehirn freilege.
Durch den Medizinball im Bauch bekomme ich nur schwer Luft, ich benutze deshalb jetzt äusserst kontraproduktiv die Fahrtunterstützung meines E-Bikes, damit ich nicht so schnaufend ankomme. Der Medizinball ist auch äusserlich gut zu erkennen, weil sich meine Kleidung immer mehr um den Bauchbereich spannt. Weil das so frustrierend aussieht, stopfe ich mir zum Trost Süßigkeiten rein, da ja jetzt eh Hopfen und Malz verloren ist.
Also entweder todbringende unentdeckte Krankheit oder psychosomatisch. Psychosomatisch nervt, weil es nur der kleine doofe Bruder einer wirklichen Erkrankung ist, und man so gut wie nichts dagegen machen kann. Gut, man kann dann auch nicht daran sterben, glaube ich zumindest, aber alle Symptome sind ja echt, es schmerzt oder bringt einen sonstwie zum leiden.
Wenn also diese Belastungen der letzten Woche, unter anderem der Konflikt mit der Heimleiterin der Auslöser für die Bauchschmerzen und die Begleiterscheinungen wie Atemnot und Unbeweglichkeit darstellen, dann müsste ja jetzt im Lauf der Woche alles besser werden. Denn heute hat sie mich zu sich gerufen, und sich für ihr Verhalten entschuldigt, und noch mal ihre Wertschätzung mir gegenüber geäussert.
Aber es gibt natürlich noch andere Belastungen, die fortbestehen, besonders wenn es meinen Kindern nicht gut geht, bin ich am Ende. Weil, da kann ich natürlich überhaupt nichts machen. Sie sind erwachsen, regeln ihr Leben selber, und ich kann nur tatenlos zusehen, wie traurig sie vielleicht gerade sind, wie sie sich vielleicht noch mehr ins Unglück stürzen, wie ohnmächtig sie sich fühlen. In all meinen Therapien war es immer wieder ein Thema loszulassen, die Kinder loszulassen, die Verantwortung für sie loszulassen.
Das scheint einleuchtend, ist aber leichter gesagt als getan. Wenn ich schon heulen muss, wenn fremde Tiere oder Menschen in Not geraten, wie soll ich dann Abstand zu den Krisen meiner Kinder kriegen?
Es wird also interessant, wie sich mein Wohlbefinden in den nächsten Tagen entwickelt.
Am Mittwoch habe ich um 8 Uhr morgens einen Zahnarzttermin am Arsch der Welt.
Das erfüllt mich natürlich jetzt schon mit Grauen. Ich muss dann um 6 Uhr aufstehen. Wenn ich frei habe, oder Spätdienst, bin ich spätestens um 7 Uhr hellwach, wenn ich aber früh raus muss, werde ich hundertmal in der Nacht wach, und zu dem Zeitpunkt an dem ich wirklich aufstehen muss, übermannt mich eine Müdigkeit und das Gefühl, als müsse ich sterben, wenn ich jetzt nicht weiterschlafen kann.
Wenn ich es dann wirklich schaffe am Mittwoch pünktlich bei dem Zahnarzt zu erscheinen, kommt das nächste Problem: Zahnarzt.
Eine Zahnbehandlung ist nach einer gynäkologischen Untersuchung das Zweitschlimmste an ärztlicher Zuwendung.
Aber dann wird vielleicht meine dritte Theorie zu meinem Unwohlsein bestätigt:
Durch das Loch in meinem Zahn, in dem vorher eine Plombe wohnte, wurde Amalgam in mich verströmt. Es muss Amalgam sein, denn ich kann mich nicht erinnern, muss also unfassbar lange her sein, dass dieser Zahn mal bearbeitet wurde. Und wie wurden früher Löcher gefüllt? Mit Amalgam! Das habe ich verschluckt, und Reste davon popel ich ja minütlich mit der Zunge raus, das Quecksilber hat sich also schon überall eingenistet.
Beim Googeln bin ich auf folgende Symptome einer Amalgamvergiftung gekommen:
Chronische Müdigkeit.
Antriebslosigkeit und Abgeschlagenheit.
Konzentrationsmängel.
Gedächtnisprobleme.
Gefühl von "Nebel im Kopf"
Magen-Darm-Problem.
Depressionen.
Tja, wenn mich das mal nicht eins zu eins beschreibt.

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