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Montag, 11. Mai

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 11. Mai 2020
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 19. Mai 2020


Meine Güte ist das wieder kalt, 6 Grad am Morgen.

Gestern schon andauernd Durchfall, heute geht’s unverändert wieder los.

Auf der Arbeit werde ich von allen angemessen bedauert wegen meines anstrengenden Samstagdienstes. Der Sonntag, also Muttertag, war dann tatsächlich ruhiger, die Angehörigen hatten sich zurück gehalten. Klar, die waren ja Samstag da. Herrjeh.


Heute will ich es ruhiger angehen und widme mich hauptsächlich der Briefaktion. Da kann man zwischendurch immer mal wieder diskret auf Toilette verschwinden.


Am Nachmittag hat sich Frau B. angekündigt, die Lebensgefährtin von Herrn G..

Da sie selber auch noch in einem Seniorenhaus in Quarantäne war, ist es heute nach zwei Monaten das erste Mal, dass sie ihr „Schätzchen“ wiedersieht.

Dafür haben wir die Cafeteria abgeriegelt und drei Tische zusammen gestellt, damit sie sich in vorgegebenem Abstand sehen dürfen. Vorher musste sie noch ein Formular ausfüllen, was jetzt behördlich vorgeschrieben ist.

Das Problem ist, dass Herr G. schon bei ihren letzten Besuchen, vor Corona, anfing seinen Verstand zu verlieren.

Er ist mittlerweile ziemlich paranoid, ist wirklich in keiner schönen Verfassung.

Das wird seiner Lebensgefährtin das Herz brechen, zumal wir nicht mal sicher sind, ob er sie überhaupt erkennt.

Er erkennt sie kurz, nennt ihren Vornamen, schaut sie aber weiter nicht an, und redet stattdessen wirres Zeug in meine Richtung.

Ich versuche ihn immer wieder zu motivieren seine Frau anzuschauen, die in knapp zwei Metern Entfernung sitzt und andauernd „Schätzchen, ich bin es doch!“ sagt. Er ist aber nicht nur stark schwerhörig, sondern auch sehbeeinträchtigt.

Ich kann mir bestens vorstellen, wie er in seiner Paranoia denkt, dass diese schemenhafte Frau da nicht seine Frau ist, sonst hätte sie ihn ja wie gewöhnlich in den Arm genommen und geküsst, das kann nur wieder eine Finte sein, die wir uns da ausgedacht haben.

Das Ganze ist ein Trauerspiel, er will dann auch bald dringend da weg, so begleite ich ihn nach oben. Adele kümmert sich um Frau B., begleitet sie zum Parkplatz. Sie weint, und ist untröstlich.


Auf dem Heimweg sehe ich all die kleinen Tischchen wieder vor den Cafés und Restaurants. Wunderschön sieht das aus, und macht mir gleichzeitig Angst. Ab heute dürfen die Gastronomiebetriebe öffnen. Und überhaupt alles eigentlich. Die Sonnenbank hat wieder auf, der Schlüsseldienst, der Juwelier. Oder hatten die schon vorher wieder auf? Ich weiß es nicht mehr, alles verwischt, alles ist so bizarr, nur diesmal umgekehrt, weil alles wieder auf hat. Als wäre Corona vorbei.


Abends die Nachricht, dass Jerry Stiller gestorben ist, oh, den mochte ich so gerne. Aber er war auch schon wirklich alt. Aus Nostalgie schaue ich mir alte King of Queens Folgen an.

Statistik, 23:00 Uhr

172.517 Infizierte 7.653 Todesfälle 145.617 wieder gesund



ree


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