Mittwoch, 3. Juni
- Mai Buko
- 3. Juni 2020
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Juni 2020
Gestern noch hatte ich dusseligerweise sämtliche privaten Termine vertauscht, Yoga-Online nachmittags, Yoga im Studio vormittags, Dienstag-Donnerstag, Einladung zum Abendessen, so dass ich die auf diese falschen Daten angepassten Dienstplanänderungen heute bei Arbeitsbeginn sofort wieder rückgängig machen muss.
Ich kümmere mich heute hauptsächlich um den Neueinzug, hänge seine Bilder auf, patche im Keller einen Teil seiner Kleidung, 50 Pyjamas, 5000 Polohemden, 10.000 Unterhosen, alles Markenprodukte, Ralph Lauren, Schiesser, Jockey, Hugo Boss, Lagerfeld.
Im Waschkeller ist es wie in der Sauna, unerträglich.
Wieder auf seinem Zimmer unterhalte ich mich mit ihm, während ich die Wäsche in seinen Schrank räume. Er erzählt ohne Punkt und Komma, kommt von Stöckchen auf Hölzchen, so dass ich mich nach dem Einräumen zu ihm setze um ihm freien Lauf zu lassen. Ich muss seinen Redefluss dann aber doch irgendwann beenden, weil ich sonst heute Abend noch bei ihm sitze.
Malte ist endlich mal wieder gut gelaunt aber macht mich wahnsinnig mit seinen Gedankensprüngen, seinem rasenden Sprechtempo, seinen Heinz-Erhardtesken Wortspielereien, die er unentwegt abfeuert. Dass mich das wahnsinnig macht, spornt ihn nur noch mehr an. Es ist echt schwer mich mundtot zu machen, aber er schafft es immer wieder. Ich geb dann einfach auf.
Mein Luxus-Delikatessen Paket aus Italien ist angekommen. Ich hatte es mir extra hierher zur Arbeit liefern lassen, weil ein Teil des Inhalts gekühlt wird, und ich schon ahnte, dass es vormittags kommt, wenn ich nicht mehr zuhause bin. Im Paket sind zwei herrliche Flaschen Olivenöl, ein Paket Espresso, und zwei verschiedene Sorten von frischem Burrata. Die beiden sind in einer Decke eingewickelt, in denen sich Eispacks befinden. Großartig, was es alles gibt. Einen Burrata lass ich da, den will ich mir morgen mit Anouk teilen, sie ist neben mir der zweitgrößte Fan von diesem herrlichen Käse.
Um 19 Uhr bin ich zum Abendessen bei Münti und Martin eingeladen, deshalb hole ich ihnen noch schnell ein paar Pfingstrosen, wickele sie in weißes Chanel-Papier ein.
Eigentlich durfte ich noch jemand als Begleitung mitnehmen, aber Tommy kann nicht, und sonst fällt mir niemand passendes ein.
Sie wohnen im selben Haus wie Meret und Gregor, nur zwei Etagen höher. Wenn ich an Merets Wohnung ankomme, bin ich schon luftmäßig total am Ende, aber jetzt noch höher, das muss Liebe sein, dass ich die beiden wirklich besuche.
Münti war früher mal mit Meret zusammen, und Martin war verheiratet und hat drei erwachsene Kinder, aber beide sind eigentlich schon immer schwul. Wie schön, dass sie sich gefunden haben, sie sind ein ganz wunderbares Paar.
Als ich endlich oben ankomme, kommt mir strahlend Pipi entgegen, meine süße liebe Freundin Pipi, die ich immer seltener sehe, und seit Corona natürlich überhaupt nicht mehr. Münti hatte die Idee und die Überraschung ist gelungen, ich freue mich sehr.
Pipi ist immer meine kleine Schwester gewesen. Als ich in den 90ern eine zeitlang den Spitznamen „Königin“ trug, wurde sie zur „Prinzessin“. Ich erinnere mich an den hübschen hellblauen Flyer auf dem in Gelb stand dass die Königin und die Prinzessin in der Barracuda Bar auflegen.
Wir stoßen mit Champagner an, auf meinen vergangenen Geburtstag, auf Pipis bestandenen Bootsführerschein, sie ist jetzt Kapitänin, auf unsere Gastgeber, hoch die Tassen.
Das Essen ist fantastisch, es gibt als Vorspeise Rote Beete Carpaccio mit Feldsalat, Ziegenkäse, Pinienkernen und einer zum Weinen leckeren Vinaigrette, als Hauptspeise ein wirklich perfekt gegartes Risotto mit grünem Spargel, das so köstlich ist, dass ich noch die Schlotzenreste von den Tellern der anderen mit Brot auftunke. Martin kümmert sich komplett alleine um alles, schenkt nach, schenkt ein, und ist dabei so quirlig und gutgelaunt, dass man ihm gar nicht helfen möchte.
Zwischen den Gängen gehen wir auf den Balkon zum Rauchen.
Sie heißen beide Martin, aber Münti wird schon immer Münti gerufen. Pipis kleine Tochter meinte heute noch zu ihr, wenn die beiden mal heiraten, dann könnten sie ja beide Martin Münter heißen. Das stimmt! Wie toll, das sollten sie tun, allein wegen der Abwicklung auf dem Standesamt.
Sie arbeiten beide schon ihr Leben lang im Fernsehbusiness, Münti ist allerdings seit Mai wegen Corona arbeitslos, deshalb kommt sein Rant über sämtliche TV-Formate wohl noch schärfer rüber. Pipi und ich verstehen oft nur Bahnhof, wir kennen weder die Sendung noch die Protagonisten, aber wir glauben ihm auf’s Wort.
Als wir fertig sind und mit dem Kaffee auf den Balkon gehen, kommen Meret und Gregor mit selbstgemachtem Erdbeereis vorbei. Das passt prima zu dem Vanilleeis mit frischen Beeren, das Martin vorbereitet hatte. Mjam.
Meret bringt mir liebenswürdigerweise auch noch den Folgeroman von Gerhard Henschel mit, den „Jugendroman“.
Die angekündigten Regentage ab morgen sind gesichert.
Martin kann auf Zurufe sämtliche Furzgeräusche grandios nachmachen, den heimlichen, den schloddrigen, den feuchten, den zischenden, den langegzogenen, den knatternden, den Stakkatoartigen, usw., er ist ein wahrer Meister, ich muss ganz dringend zur Toilette rasen, sonst pinkel ich mir vor Lachen in die Hose.

Comments