Mittwoch, 22. April
- Mai Buko
- 22. Apr. 2020
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Mai 2020
Als ich zum Frühdienst erscheine, kommt mir schon lachend die Heimleitung entgegen, ich gratuliere ihr zum Geburtstag und strecke ihr meinen Fuß zur Begrüßung entgegen, sie nur: „Ach was!“ und umarmt mich stürmisch. Huch! So nah war mir seit Wochen keiner! Sie hat sich also wirklich über ihr rosa dekoriertes Büro gefreut.
Auf dem Weg hierhin hatte ich noch in der Südstadt im Getränkeladen 6 mal 12er Packs 0,5 Liter Coca-Cola Flaschen für Papa bestellt, die werden jetzt geliefert, und ich schlepp sie ihm auf’s Zimmer.
Herr G. dreht völlig durch, ist wahnhaft und lässt sich kaum beruhigen. Er tut mir so leid. Es ist schwer in diesen Momenten überhaupt einen Weg zu ihm zu finden, da ja alle Menschen seine Feinde sind, und ihm Böses wollen, er niemandem trauen kann. Mir nimmt er es natürlich auch nicht ab, dass ich nur Gutes für ihn will.
Heute sind drei Ärzte von der Uniklinik da, sie werden alle Mitarbeiter auf Covid 19 testen und auch Blut abnehmen um auf Antikörper zu testen.
Dafür wurden auch die Mitarbeiter bestellt, die heute frei haben oder erst später Dienst.
Es ist freiwillig, aber alle kommen.
Wir müssen das Ganze etwas entzerren, da sich schon ein Gedränge einstellt, bei dem sich alle sehr nahe kommen.
Die Cafeteria wurde dafür umgebaut, so dass es drei Stationen gibt. Bei der ersten werden die Personalien aufgenommen und man unterschreibt einen Wisch, den das Gesundheitsamt von der Schweigepflicht entbindet, bei der zweiten wird der Mund-Nasenabstrich gemacht, bei der dritten wird einem das Blut abgenommen.
Ich gehöre zu den letzten die getestet werden, und bekomme jedesmal mit, wie entsetzt die Kollegen, die da gerade rauskommen, von dem Nasenabstrich sind. Herrje.
Ich hab es befürchtet, so wie ich es damals gemacht habe, war falsch, man muss richtig tief rein mit dem Stäbchen, bis man heult, und zwar in beide Nasenlöcher.
Meine Panik wird immer größer, da ich niemanden finde, der sagt, ach, war gar nicht so schlimm.
Als ich endlich reinkomme, ist Kollegin Storch an der letzten Station, und ruft,
„Ach, die! Da müssen Sie aufpassen, die kollabiert gleich!“
Der Arzt, der meine Personalien aufnimmt, ist wirklich besorgt und möchte erstmal zur Entspannung ein paar Atemübungen mit mir machen, mir ist das alles so peinlich, ich sage, schon gut, habe halt nur etwas Angst vor dem Nasenabstrich. Er erklärt mir nochmal, dass es freiwillig ist, und ich das ja nicht machen brauche. Neenee, ich mach das schon, alles gut, wirklich.
Der Rachenabstrich ist wie erwartet nur medium unangenehm, man würgt andauernd, aber man kotzt ja nicht wirklich.
Als sie mit dem Stäbchen in die Nase geht, schließe ich die Augen, und spüre, wie sie oben anschlägt und noch weiter geht. Herrje, das ist echt unangenehm und dauert meiner Meinung nach viel zu lange, die Augen tränen, man fasst es nicht, was das für ein bescheuerter Schmerz ist, und dann noch das andere Nasenloch, endlich ist es vorbei und ich bin erleichtert, weil es tatsächlich nur halb so schlimm war, wie ich es mir ausgemalt hatte.
Beim Blutbabnehmen fragt der Arzt, ob alles okay ist, ob ich eine kleine Pause brauche. Oh Mann, er hat den blöden Spruch eben auch mitbekommen und ist besorgt.
„Nein, nein, Blutabnehmen können Sie mir soviel Sie wollen, das macht mir nichts. War nur der Nasenabstrich, ehrlich, alles gut. Ich war doch tapfer!“
Zuhause erfahre ich, dass ab kommenden Montag dann doch Maskenpflicht besteht. Gott sei dank, endlich.
Statisik, 23 Uhr:
150.062 5.250 Todesfälle 99.400 wieder gesund

Comments