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Mittwoch, 15. April

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 15. Apr. 2020
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 19. Mai 2020

Statistik

132.210 Infizierte 3.495 Todesfälle 67.056 wieder gesund


7 Grad, soll aber laut Wetter App im Laufe des Tages noch 17 Grad werden. Muss also wieder im Zwiebellook zur Arbeit radeln.


Frau K., mein Liebling, ist gestorben. Ich fertige einen Trauerrahmen an, der auf der Etage an sie erinnern soll. Auf „ihren“ Sessel im Flur, auf dem sie so oft saß, Blätter zerriss, faltete, mit sich selber sprach oder ganz entspannt mit friedlichem Blick dem Treiben zuschaute, habe ich die weiße Stoffrose gelegt. Diese Stoffrosen legen wir normalerweise auf den nun frei gewordenen Tischplatz eines Verstorbenen, um auch da zu gedenken.


Die Durchfallquarantäne ist aufgehoben, alle wieder auf dem Damm.


Im Büro schreibe ich Trauerkarten an die Angehörigen von Frau K. und Frau R.


Am Ostersonntag, oder Stresssonntag, wie er nun bei mir heißt, hatte ich vergessen die restlichen Ostersüßigkeiten in eine Schüssel zu schmeißen, damit die beiden Kolleginnen, die am Ostermontag Dienst hatten, sie auf den Tischen im ganzen Haus verteilen.

Jetzt ist Ostern zwar vorbei, aber das Haltbarkeitsddatum geht nur bis August dieses Jahr, deshalb kann ich das Zeug nicht bis zum nächstes Osterfest aufheben, und ich bitte alle Kollegen immer wieder etwas von dem Kram mitzunehmen und zu verteilen.


Die ganze Ostermaskerade muss natürlich auch wieder aufgeräumt werden. Da J. mich ununterbrochen fragt, ob er mir bei irgendetwas helfen kann, habe ich die perfekte Aufgabe für ihn: er möge doch bitte alle Ostereier, die ich im Garten in Bäumen, Sträuchen und Hecken aufgehangen habe, einsammeln. Spiel und Spaß. Win-win.


Frau B. ist heute wieder bestens gelaunt, sie brettert ihre Wortkaskaden lächelnd raus, und als Viva Colonia im Radio läuft, ich das laut mitsinge, fällt sie in den Gesang mit ein, Melodie perfekt, die Vokale an den richtigen Stellen. Toll, sie lacht selber über ihre überraschende Einlage.

Später machen wir einen Videoanruf mit ihrem Mann, da hat sie aber keine Lust und schimpft in einer Tour, während ihr Mann versucht süße Dinge zu sagen.


Mit Werner mache ich den Videoanruf, damit er Papa die Toccata vorspielen kann. Er erkennt das Stück, macht Fingerbewegungen an der Tischkarte, also spielt Luftklavier, und sagt klar verständlich „Toccata“. Was Werner nach seinem Auftritt veranlasst seine üblichen Quatschfragen zu stellen, „Von wem ist das nochmal, Papa? Wolfgang Amadeus von Goethe? Oder wie hieß er noch?“

Das verärgert mich sofort, denn ich muss Werner jedesmal neu erklären, dass das für einen verwirrten Kopf nur zu noch mehr Verwirrung führt, und beim Verwirrten daher Frust hinterlässt. Ich helfe Papa und gebe ihm einen Tipp, „Fängt mit „B“ an!“

Er erinnert sich dann, und schaut ganz selig. Da aber dann schon wieder sein Popo wehtut, und wir ihn neu im Rollstuhl positionieren müssen, beenden wir den Anruf.


Draussen knallt die Sonne, deshalb schmiere ich Herrn L. und Herrn W. unbehandschuht Sonnenmilch ins Gesicht. Mir fällt das natürlich erst dann auf, als ich die Milch wieder wegbringe, und bete innerlich, dass ich den Beiden jetzt nicht Corona ins Gesicht geschmiert habe.


Mittags hatte ich Meret gefragt, ob sie nicht Lust hätte, zufällig gegen 17:45 Uhr am Sette vorbeizufahren. Kurz vor Feierabend sagt sie zu. Tommy, der langsam die Schnauze voll hat, immer nur mich zu treffen, und ich ihm gestern auch nicht gerade Trost gespendet habe, hat sich anderweitig verabredet, und kommt nicht dazu.

Sie will unsere Corona Wiese kennenlernen, also gehen wir dorthin. Auf dem Weg dahin, habe ich die geniale Idee bei Nennillo eine Pizza für 19:15 Uhr vorzubestellen. Das letzte Mal hatten sie nämlich um diese Zeit eine Stunde Wartezeit. Normalerweise habe ich im echten Leben nicht oft Bock auf Pizza, esse vielleicht drei Stück pro Jahr. Seit Corona ist die heute schon meine dritte!

Meret ist schockiert, wieviel Abfall da um unsere Bank rumfliegt, heute ist es aber auch besonders schlimm. Sogar eine Vogelleiche verwest zwischen zwei Socken keinen Meter entfernt. Mir ist das genauso unangenehm, wenn jemand überraschend zu mir nach Hause kommt, und mein Bett ist nicht gemacht oder der Spül stapelt sich.

Um 19:05 Uhr klingelt mein Handy zur Erinnerung, sie begleitet mich noch, als ich meine Pizza ins Fahrradkörbchen lege, schaffe ich es nicht eine richtige Waagerechte hinzubekommen, und die paar Meter reichen aus, dass die Hälfte des Käses beim Auspacken zuhause in eine Ecke des Kartons gerutscht ist. Aber das macht nichts, sie schmeckt fantastisch und ich schlinge, wie ich immer bei Junkfood schlinge, was das Animalische an diesem bösen Genuss verstärkt.


In den Tagesthemen werden die Lockerungen bekannt gegeben:

Ab 4. Mai schrittweise wieder Schulunterricht, Einkaufsläden bis 800 m2 dürfen ab 20. April wieder öffnen.

Schutzmasken im öffentlichen Nahverkehr und bei Einkauf werden dringend empfohlen

Großveranstaltungen bleiben weiterhin verboten, bis mindestens zum 31. August.


ree





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