Mittwoch, 10. Februar 2021
- Mai Buko
- 10. Feb. 2021
- 12 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Juni 2021
Der doofe Tommy hat mich mit seiner Geruchs-Paranoia angesteckt. Seit über einer Woche verfolgt ihn in seiner Wohnung ein unangenehmer Geruch. Zuerst fand er die Ursache nicht, schnüffelte ewig an sich selbst, duschte unentwegt, putzte sich mehrfach täglich die Zähne, aber das war es nicht. Doch dann stellte er fest, dass dieser metallische Kohl-Muff-Geruch von seiner neuen Luxus Kaffeemaschine ausging.
Mehrere Durchgänge der verschiedensten Espressosorten, die er nun als Gourmet natürlich auch noch austesten muss, sowie deren perfekte Mahlstufe in der ebenfalls neuen Mühle, führten zumindest zu einer Linderung des üblen Geruchs.
Vorgestern kochte ich eine Variante meines geliebten Schlampes Pampes Gerichts. Schlampes Pampes nannte meiner Mutter in meiner Kindheit alle Gerichte, meist mit Kartoffeln, die „untereinander“ aufgetischt wurden und die man herrlich kneten konnte. Sowas wie Kartoffeln mit Möhren, Grünkohl mit Kartoffeln und Mettwürstchen oder Huhn mit Paprika, Bohnen und Kartoffeln. Im Prinzip eine Art Eintopf, nur eben nicht als Suppe.
Bei mir waren es Kartoffeln, Lauch, Möhren, Pilze und Zwiebeln mit Rinderhack in einer Sahnesauce. Anscheinend hatte ich vergessen die Tür zu meinem Wohnschlafraum zu verschließen, so dass der Kochgeruch dorthin wabern konnte.
Unmöglich! So ein Geruch darf in keinem Fall in einem Zimmer, in dem man schlafen möchte, vorzufinden sein.
Ich liebe im Sommer den Geruch, den die italienischen Restaurants ausströmen, wenn man im Vorbeigehen feststellt, dass sie gerade Gambas mit Knoblauch zubereiten.
Ich hasse Gambas, aber den Geruch liebe ich über alles.
Oder den Geruch von Grillzeug, egal was da gegrillt wird.
Und Feuer erst, herrlich! Als Kind war ich nahe dran eine kleine Pyromanin zu werden.
Beziehungsweise, ich war wohl eine. Legte kleine Feuerchen im Blechmülleimer in meinem Kinderzimmer unterm Dach. Sorgte für mittelgroße Brände auf unserer Heide, bis die Feuerwehr anrücken musste.
Wenn irgendjemand Erwachsenes aus der Nachbarschaft Zeug verbrannte, an dieser bestimmten Stelle auf der Heide, an der die Leute kontrolliert sämtlichen Müll den Flammen übergaben, dann stand ich juchzend in der ersten Reihe.
Ich gab dieses Hobby allerdings mit Eintritt in die Pubertät auf. Einsetzende Einsicht?Jedenfalls sind all diese Lieblingsgerüche im Schlafzimmer nicht willkommen.
Dieser Scheiß-Zwiebelgeruch erfüllte jetzt aber den ganzen Raum. Ich schlafe zwar generell mit geöffnetem Fenster, weil ich sonst Panikattacken oder zumindest Kopfweh bekomme, aber jetzt riss ich es sperrangelweit auf bevor ich schlafen ging.
Es war die erste Nacht mit Minus 8 Grad.
Als ich nachts öfter mal wach wurde, fror ich tatsächlich und wunderte mich noch darüber.
Es setzten auch überraschend Halsschmerzen ein.
Ich hatte vergessen, dass a) mein Fenster sperrangelweit geöffnet war, und b) sibirische Wetterverhältnisse herrschten.
Als ich morgens aufstand, fror ich fast mit den Füßen auf dem Laminat fest.
Nach dem Frühstück kontrollierte ich den Geruch noch einmal, und musste erschrocken feststellen, dass es nach diesem Kälteopfer in der Nacht immer noch nach Zwiebeln roch. Bei meinen stündlichen Kontrollgängen registrierte ich, dass das teure Mandarinenraumspray, das Olli Schulz zu Weihnachten bei „Fest und Flauschig“ empfohlen hatte, und ich mehrfach auf die Heizung gesprüht hatte, keine Besserung brachte.
Dann zündete ich wie in einem indischen Tempel gleich mehrere Räucherstäbchen gleichzeitig an. Nach der zweiten Ladung konnte man beim besten Willen nichts anderes mehr als Hare Krishna riechen.
Das wäre also gelöst. Nach erneutem Durchlüften bei Polartemperaturen konnte ich jetzt zufrieden sein. Doch jetzt stank es im Hausflur, also im Ganzen Haus draußen, nach Zwiebeln.
Hat Shiva ihn dorthin verbannt?
Oder kocht hier jemand Schlampes Pampes?
Ich werde es beobachten.
Bei den letzten Treffen mit Tommy, besprachen wir nicht nur seine Geruchsparanoia, die neben der Geruchsbelästigung, bei ihm noch zusätzlich für Zweifel an seiner mentalen Gesundheit sorgten, die ich aber wegwischte, das sei alles ganz normal, und selbst wenn nicht, ganz dicht sei er so oder so nicht, sondern auch das Problem, dass ich ein Fahrrad aus dem Sperrmüll gerettet hatte, das aber weder der Fahrraddoktor zum aufmöbeln haben wollte, noch Marie, die ja mein anderes Rad schon auffährt.
Wem also spenden?
Tommy meinte, diese Leute von dem alternativen Gemeinschaftsgarten etwas stadtauswärts würden auch so Zeug gut gebrauchen können und wieder fitmachen.
„Dann geh du doch bitte dahin und bring ihnen das Rad.“ biete ich ihm an.
„Du spinnst wohl, das ist doch dein Rad. Ausserdem bist du doch die Sozialtante, mit den sozialen Ambitionen!“
„Eben. Ich brauche das nicht, ich mach das schon genug. Aber du könntest dein Karma-Konto wieder etwas auffüllen!“
„Pff. Mein Karmakonto ist voll. Die von der Karmabank haben gesagt, ich soll mal was abholen.“
„Karma Chameleon.“
„Karmasutra.“
„Karmanghia“
„Karmazufriedensein.“
Achim kommt vorbei und nachdem er sich erkundigt hat, wie es uns geht, ich sofort von meinen Rückenschmerzen anfange, bietet er eine Massage an, und züngelt wieder grinsend zwischen seinen Zahnlücken.
Mich stösst das ja eher ab, aber Tommy mag es immer gerne wenn Achim zweideutig und obszön wird und stachelt ihn fröhlich an.
„Ja, eine hervorragende Idee, Achim!“
„Ich kann das ganz gut. Sagt man.“ nuschelt er bedeutungsschwanger.
Dann verfällt er in Erinnerungen, die kaum verständlich, aber irgendwie sexuell sind, er grinst immer wieder, unterstreicht mimisch seinen Redeschwall.
Das macht er immer so.
So haben wir auch mal erfahren, dass er als Jugendlicher eine zeitlang in Amsterdam auf den Strich ging, mit einem Freier öfter verreiste, aber trotzdem eine Freundin hatte, mit der er sehr viel Sex hatte, und zeigte dabei alle möglichen Sexualpraktiken per Handbewegungen und Gesichtstheater.
Tommy lacht die ganze Zeit, dabei schadenfroh, weil Achim ja mich massieren soll.
Ich lenke sein Angebot auf Tommy, da ich plötzlich keine Beschwerden mehr hätte, aber Tommy ja ziemlich begeistert wirkt.
Doch Achim ist eh schon wieder auf einem anderen Trip, erzählt von einem Shampoo, das ihm ein Arzt verschrieben hat, weil sein Kopf ja immer so juckt. Dabei kratzt er sich ausgiebig.
Als ich mein übliches Foto von ihm mache, frage ich ihn ganz offiziell und unter Zeugen (Tommy) ob ich seine Fotos im Internet veröffentlichen dürfe. „Ja, klar!“
Mit Meret traf ich mich auch letzte Woche auf einen Cappccino in der Kälte.
Ich teilte ihr mit, dass ich mit ihrem Gregor Schluss mache, da er sich nicht mehr gemeldet hatte, ab der Sekunde, in der er mir versprochen hatte, die Rollen an meinem Regal (mittels seiner hochgelobten „Power-Knete“, die ich sofort besorgt hatte) wieder anzubringen.
Sie sagt, sie richtet es ihm aus.
Als wir uns über die Doku von Scorsese über Fran Lebowitz unterhalten, sind wir so unterschiedlicher Meinung, dass ich dann auch gleich mit ihr Schluss mache.
Sie findet Fran Lebowitz total überschätzt, ihre Gags wären gar nicht so originell und nach ein paar Minuten müsste man immer denken, ja, danke, Fran, das erwähntest du schon, und ausserdem würde sich Martin Scorsese so übertrieben bei jedem Scheiß kaputtlachen, dass es schon zu Fremdschämen führen würde.
Das mit Martin Scorsese musste ich bestätigen, das war mir auch aufgefallen, aber der Rest ist unglaublich, wie kann man Fran Lebowitz nicht toll finden?
Sie ist schließlich mein alter Ego!
Aber Meret gibt nicht nach, das schönste an der Doku, erklärt sie, sei ähnlich wie beim letzten Tatort, der so doof war, dass daran das Beste war, dass er an der Nordsee spielte, und man das Gefühl hatte, endlich mal wieder an der frischen Luft gewesen zu sein, und bei dieser Lebowitz-Doku wäre es halt ein schönes Gefühl gewesen, mal wieder in New York gewesen zu sein.
Gerade das kam mir etwas zu kurz, ich hätte gern mehr von New York gesehen.
Aber Merets Fran Lebowitz-Bashing hat mir die Augen geöffnet, sie ist einfach nicht sophisticated genug, um meine BFF zu sein.
Also Schluss gemacht.
Naja, sie sieht so süß aus mit ihrem neuen Pony, wirklich toll, wie das aussieht, ganz verändert, so lieb und frech zeitgleich, dass ich ihr etwas Eigenwillen zugestehe und sie mit Gottes Segen wieder nach Hause radeln lasse.
Tommy erzählte mir die Tage von der „Clubhouse“-App, die ich schon vom Erzählen her so doof finde, und mich die Recherche anschließend bestätigt, dass das ein reiner Scheiß ist, das ist etwas für Laberköpfe, Liebhaber von Kommentaren, Klugscheißer, Korinthenkacker, Inselwissenprofis, und Doofmann-Hipster, huch, da beschreib ich mich ja gerade selber, dennoch: unnötig.
Nach dem ersten Arbeitstag, den wir ohne Kollegin Feist hinter uns gebracht haben, und sogar der von ihr infiltrierte Kollege überraschend kooperativ und manchmal sogar liebenswürdig war, wie in alten Zeiten, jubelt mir Adele entgegen:
„Hach, ich freue mich so auf morgen!“
„Wieso? Was ist denn morgen?“
„Da wird sie immer noch nicht wieder da sein!“
Herrlich, wie harmonisch heute alles lief, wie entspannt wir alle sind.
Emotional scheine ich aber doch etwas angespannt zu sein, denn auf dem Heimweg warte ich an einer roten Ampel, als ich aus der Ferne schon die Sirene eines Krankenwagens höre, die Autos vor mir auf der Abbiegespur bekommen grün, und könnten jetzt losfahren, aber der Krankenwagen kommt immer näher, die Abbiegeautos halten an, und lassen ihn vorbeirauschen, und ich fange ad hoc an zu heulen.
Es war eine regelrechte Schock-Rührung, ich war sowas von bewegt, schluchzte innerlich: „So was liebes, so solidarisch, da kommt ein Wagen mit der Mission jemand zu retten, und die, die eigentlich Vorfahrt hätten, halten an, und lassen ihn gewähren, damit helfen alle Irgendjemanden in Not, die Menschen sind doch alles gute Menschen, es ist so wundervoll, wie man in der Not zusammenhält, wie großartig sich alle an ungeschriebene Gesetze der Nächstenliebe halten, wir sind schon eine tolle Truppe!“
Totaler Blödsinn, ich weiß, es gibt Verkehrsregeln, die sowas vorschreiben, aber mein emotionales Ich ist dermaßen berührt und schustert sich da wieder was mit Liebe rein.
Apropos Autofahrer, David hat seine theoretische Führerscheinprüfung bestanden. Dafür, und weil er all seine geleisteten Fahrstunden wegen längerer Unterbrechung verloren hat, schenke ich ihm zwei Fahrstunden. Also 50 Euro, denke ich, so eine Stunde kostet bestimmt um die 20 Euro, also runde ich mal auf.
„Mama, das war vielleicht so als du in den Achtzigern deinen Führerschein gemacht hast, eine normale Stunde kostet 60 Euro!“
Schluck, na dann wird halt auf 150 Euro aufgerundet, bin ja flüssig aktuell.
Ich hab viele Freunde jetzt schon monatelang nicht mehr gesehen, manche vermisse ich, aber meistens komme ich gut zurecht mit dieser erzwungenen Begrenzung.
Telefonisch habe ich eben noch jemand ein frohes neues Jahr gewünscht, obwohl wir schon Februar haben, wenn das so weitergeht und wir vielleicht im Mai wieder mehr Freiheiten haben, und man lang nicht getroffene Freunde trifft, kann man sich immer noch ein schönes neues Jahr wünschen.
Letzten Freitag war der Tag, an dem wir zum zweiten Mal geimpft wurden. Die Vorbereitungen liefen wieder wie am Schnürchen, ich musste nur noch zum Rewe, Mett und Käse holen, damit wir leckere Schnittchen für die Impfteams schmieren konnten.
Vor der Eingangstür spricht mich dieser Wüterich an, dieser Obdachlose, der oft barfuß und brüllend vor den Läden lamentiert.
Einmal hat er preisverdächtig vor unserem Altenheim übertrieben laut schreiend eine Zeitung zerrissen um damit auf die verlogene Welt aufmerksam zu machen.
Meistens schreit er jedoch Passanten an, wobei ich dann nie verstehe, worüber er sich gerade aufregt.
Dieser kranke Choleriker steht also plötzlich vor mir, ich bekomm direkt ein wenig Angst, weil seine Ausbrüche natürlich auch immer viele Schaulustige anziehen, und ich möchte nicht so gerne Teil dieser Aufführung sein.
Mit einer sehr ruhigen Stimme und schüchternem Blick bittet er mich, ihm doch bitte eine Flasche Sprudelwasser, „stark sprudelndes Wasser“, und zwei kleine Flaschen Korn zu kaufen, „die stehen da an der Kasse, so kleine Plastikflaschen“, und reicht mir auch schon etwas Geld entgegen.
Tja, da kann man doch nicht nein sagen.
Als ich später in der Schlange vor der Kasse anstehe, und bald am Fließband bin, sehe ich, dass dort kein Korn steht, aber an der Nebenkasse, da stehen welche, also bitte ich um Verzeihung und hole mir zwischen den Leuten der anderen Schlange zwei Fläschchen von diesem Korn.
Als ob es nicht reicht, sich die Blicke der Personen um einen rum durch so leicht übergriffige Handlungen wie „Kann ich mal eben dahin, bitte?“, auf sich zu ziehen, ist das Erstaunen und die Ablehnung beim Ergreifen von zwei billigen Flachmännern um einiges höher.
Peinlich, peinlich.
Aber was soll schon sein, guckt nicht so blöd, ich kann ja wohl mal um halb 10 morgens ein paar Korn zu mir nehmen!
Der Mann an meiner Kasse, schaut mich dann auch verdutzt an, als er die Fläschchen über den Scanner zieht. Natürlich fühle ich mich safe, weil ja nach dem Einkaufstrenner mein wirklicher Einkauf kommt, das Mett und der Käse, und so ist die Ordnung wieder hergestellt, der Kassierer weiß bestimmt, dass ich im Auftrag handele. Denn der Wüterich hat garantiert Hausverbot hier.
Trotzdem, ein merkwürdiges Gefühl, so geächtet zu werden, nur weil man Alkoholiker ist.
Ich danke dem lieben Gott, dass ich niemals auch nur in die Nähe von Alkoholismus gerate, dafür trink ich zu selten.
Im Haus geht es los, ich setzte mich direkt in den Wartebereich, denn ich will eine der ersten sein, weil mir beim letzten Mal ja für Stunden so flau war, und falls mir das jetzt wieder passiert, bin ich lieber unter Beobachtung mit notfalls helfenden fachlich versierten Menschen um mich rum.
Allerdings, so vermute ich, wird es diesmal ein Klacks sein, denn jetzt weiß der Körper und auch ich, was auf einen zukommt, und alles wird abgeschwächt sein.
Die Ärztin, die mich impft, macht mich darauf aufmerksam, dass eine zweite Impfung meist zu heftigeren Reaktionen führen kann. Kann, aber muss nicht.
Das hätte sie besser nicht gesagt.
Schon als sie mir die Spritze in den Muskel jagt schießt es mir heiß durch den ganzen Körper bis zum Kopf.
Naja, innerhalb der nächsten halben Stunde wird mir flau und schwindelig, aber nicht schlimm, ich weiß ja, dass es spätestens in drei Stunden aufhört.
Trotzdem schaffe ich es nicht an diesem Tag irgendeine tiefer gehende Betreuung mit einem Bewohner zu erledigen. Ich halte mich mehr an organisatorische Sachen im Büro und räume ein wenig im Bastelzimmer auf.
Zuhause ist wie erwartet mein linker Arm wieder lädiert, ich kann ihn von Stunde zu Stunde weniger bewegen. Kenn ich, nicht schlimm, in spätestens drei Tagen ist das auch wieder verschwunden.
Doch plötzlich sticht es in der Leiste, dann schmerzen meine Finger, die Knie machen nicht richtig mit, als ich aufstehe. Mir ist heiß, aber ich hab kein Fieber, dann noch Kopfschmerzen, und so ein dumpfes Krankheitsgefühl, ich bin schlapp und lege mich früh ins Bett.
Ich schlafe zwar bald ein, werde aber schnell wieder wach, weil meine Leisten, meine Hüfte schmerzen und ich meine Beine wieder nicht von alleine anders legen kann, ich muss wieder mit meinen Händen, die auch völlig schmerzen, nachhelfen.
Noch in der Nacht wird mir klar, ich habe gerade einen unfassbar krassen Schub an Arthrose, alle nur vorhandenen Gelenke schmerzen so doll wie in der Hoch-Zeit meines letzten Arthrose-Schubs. Von Null auf Hundert.
Dazu diese Gliederschmerzen, mir geht es nicht gut, wirklich, jetzt muss ich auch noch aufs Klo, ich hab Durchfall.
Jeder Gang vom Bett zum Bad und umgekehrt treibt mir die Tränen der Verzweiflung in die Augen.
Ich leide so unsäglich, wieso ist das jetzt so?
Sind das jetzt Nebenwirkungen von der Impfung?
Und steigere ich mich gerade wieder in irgendetwas rein?
Oder ist das nur Zufall, ich hab mich halt erkältet, und die Kälte draußen hat mal wieder für einen Arthroseschub gesorgt, die Aufregung darüber hat meinen Darm dazu veranlasst auch noch seinen Senf dazu zu geben?
Wenn das jetzt echt keine Nebenwirkungen sind und dementsprechend nicht nach ein paar Tagen wieder verschwindet, bin ich im Arsch. Dann muss ich mich schnellstens der Hüft-OP unterziehen und für all meine anderen verteufelt leidenden Gelenke kräftige Schmerzmedikamente ordern.
Es ist die Hölle, ich kann mich das ganze Wochenende nicht bewegen, auch das Liegen verursacht Qualen, aber ich bin so kraftlos und erschöpft, dass ich immer wieder einschlafe. Marie kommt und hat Einkäufe für mich erledigt, aber ich kann nicht mal kochen, bestelle mir später Pizza, die ich nicht schaffe, und am nächsten Tag auch noch von esse.
Ein fester Ring hat sich um meinen Brustkorb gezogen, ich habe Atemnot, so dass mich jetzt nicht mal das Rauchen erleichtert, sondern eher anwidert.
Ich wälze mich mehr oder weniger von Freitag Nacht bis Montag früh im Bett durch meine Qualen.
Montag hab ich frei, dieser Fakt hat mich Sonntag schon etwas beruhigt.
Trotzdem möchte ich wissen, was da los ist, und habe Angst, dass es jetzt ganz schnell derbe bergab mit mir geht.
Sogar Gedanken ans Sterben werden wieder abgespult.
Hab ich alles so hinterlassen, dass die Kinder klarkommen?
Werde ich eine tapfere Sterbende sein? Gelassen und friedlich?
Oder werde ich von einer Panikattacke in die nächste fallen und alles nur noch unter Morphium aushalten?
Montag früh geht es mir schon etwas besser, die Gelenke ächzen nicht mehr so doll, der Kopfschmerz ist weg, aber eine unfassbare Schlappheit ist deutlich zu spüren, vorsichtshalber begebe ich mich nach dem Frühstück zu meinem lieben Hausarzt.
Der kann nicht ausschließen, das dies mit der Impfung zusammenhängt, er könne mich jetzt aufwändig untersuchen, Blut abnehmen undsoweiter, aber wir können das auch sein lassen, und abwarten, ob es sich in den nächsten Tagen bessert, dafür schreibt er mich bis Sonntag krank. Und falls es doch schlimm bleibt, soll ich mich melden, dann würden wir weitersehen. Ich liebe diesen Mann. Er sagt und macht immer das Richtige. Ich fühle mich so gut aufgehoben bei ihm. Er kennt mich ja jetzt auch schon etliche Jahre, und sagt mir immer wieder, dass ich ja mittlerweile Profi in Sachen Reizdarm bin, und da besser wüsste, was ich brauche, als er.
Auch jetzt weiß er, dass ich erstmal Ruhe brauche, und beim Erholen von meiner Erschöpfung schon sehen werde, was zu tun ist. Und wenn es ein erneuter Besuch bei ihm ist.
Einmal hatte ich eine Erkrankung vor einem Wochenende, mit mittelstarkem Fieber, eine Entzündung, da schrieb er mir außer einem Antibiotikum noch einen Überweisungsschein fürs Krankenhaus aus, damit ich, wenn es schlimmer wird, sofort in ein Krankenhaus gehen könnte, und die sofort wissen, was los ist.
Allein diese Absicherung, es ist für alles gesorgt, hat mir beim Aushalten und Genesen geholfen. Ich musste nicht ins Krankenhaus, die Antibiotika zeigte Wirkung.
Jetzt, am Mittwoch, also nach ein paar Tagen, bin ich mir sicher, dass es sich nur um Nebenwirkungen der Impfung handelte. Ich bin zwar nicht wirklich fit, das hängt aber mit meinem chronischen Reizdarm zusammen, und der Schwäche, die er manchmal erzeugt. Meine Arthrose Beschwerden sind fast vollständig verschwunden, nur manchmal muss ich noch humpeln beim Aufstehen, und meine Finger sind immer noch nicht fähig feste Schraubverschlüsse zu lösen, aber die allgegenwärtigen Schmerzen sind weg, und ich brauche nachts nicht mehr meine Beine mit der Hand umlegen.
Natürlich ist es peinlich, weil es sehr nach Drama-Queen stinkt.
Und dass ich nicht zur Arbeit gehe macht mir ein leicht schlechtes Gewissen, weil die bestimmt denken, die Drama-Queen übertreibt mal wieder und lässt uns hier im Stich.
Aber ganz ehrlich, das war das schlimmste Wochenende seit Langem, und ein paar Tage frei zu haben um langsam wieder zu Kräften zu kommen, steht mir jetzt einfach mal zu. Basta.
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