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Freitag, 24. April

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 24. Apr. 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 19. Mai 2020

Heute habe ich meinen freien Ausgleichstag für letzten Samstag.

Die erste Nachricht des Tages: Norbert Blüm ist gestorben.

Merkwürdig, es rührt mich irgendwie, er hat mich als Politiker mein Leben lang begleitet, ich war weder ein Fan von ihm, noch fand ich ihn je richtig scheiße. Er gehörte zu meinem Leben, wie ein entferntes Familienmitglied.


Da ich enorme Rückenschmerzen habe, vermutlich von der falschen Sitzposition, die ich am Computer einnehme, beginne ich im Netz nach zierlichen Bürostühlen zu suchen. Das Problem ist offensichtlich, „zierlich“ im Zusammenhang mit „Bürostuhl“.

Der einzige Stuhl der mir gefällt, den es auch in weiß und mit hoher Rückenlehne gibt, und halbwegs ergonomisch ist, ist der Charles Eames Stuhl. Der ist natürlich selbst im Nachbau unerschwinglich, wie ich auf Ebay feststelle. Allerdings finde ich ein paar günstige Modelle, die dem Stuhl ein wenig ähnlich sehen, aber nicht in meiner Nähe. Frustriert beende ich nach zwei Stunden diese Beschäftigung.


Bevor ich einkaufen gehe, treffe ich Tommy am Hörnchen um auf der Bank an der Bonnerstrasse Kaffee zu trinken, lade meinen Frust bei ihm ab, ihm scheint es heute ausnahmsweise mal ganz gut zu gehen. Komisch, dass wir nie gleichzeitig scheiße oder super drauf sind. Ich verspreche ihm ein Paket Küchenrollen zu besorgen, das wir dann teilen.


Ich bin zum erstmal wieder im Rewe am Chlodwigplatz, und es stellt sich als der totale Horror heraus. Die Schlange ist zwar am Hintereingang nicht allzu lang, aber drinnen ist es viel zu eng, ich weiche andauernd aus, finde nichts worauf ich Lust habe, was ich heute kochen könnte. Die Menschen hier sind latent aggressiv, schauen und benehmen sich böse. Ein starker Drang auf die Toilette zu müssen stellt sich ein. Nur weg hier.


Zuhause widme mich mit Davids Hilfe meiner Website. Er ist immer noch als Betreiber dieser Seite angemeldet, alle Nachrichten gehen an ihn, das wollen wir ändern. Durch irgendeinen Scheißfehler, womöglich habe ich einen Schreibfehler bei meiner Emailadresse gemacht, kommen wir jetzt beide nicht mehr auf die Seite. Er meint immer „Das kann nicht sein!“, aber es ist so, und ich drehe durch, weil er denkt ich check’s nicht.

Er merkt es dann auch und regt sich auf, was ich wieder für einen Scheiß gemacht habe. Eine sehr unglückliche, frustrierende Situation, wir können gerade gar nichts machen, außer auf die Antwort zu warten, auf die Bitte von David an den Betreiber, bitte alles wieder zurückstellen.

Mit David war ich über Telefon in Kontakt, ungefähr gleichzeitig beantworte ich Mails von Marie, die mir ihre erste Bewerbung schickt, damit ich da mal drüber schaue, ob das so geht. Da sie nun auf Kurzarbeit ist, musste sie ALG 2 beantragen, die haben ihr erst mal sofort ein Arbeitsangebot geschickt, worauf sie sich bewerben muss. Eine super Scheiß-Sklavenstelle in einem Krankenhaus in Leverkusen, wo sie zwischen 5:00 Uhr morgens und 15 Uhr nachmittags Schichten schieben soll, um eine Großküche zu putzen.

Ich helfe also bei Formulierungen und schicke dies zwischendurch an sie zurück, während David irgendwas an meiner Seite bastelt und ich warten muss. Dieses Hin und Her hat bestimmt dazu geführt, dass ich einen doofen Fehler gemacht habe, den ich jetzt nicht mal rausfinden kann, weil wir beide keinen Zugang mehr haben.


Während der Aktionen mit David und Marie muss ich ungefähr fünfmal auf Toilette.


Mir reicht es. Was für ein Scheißtag!


Ich hatte Erdbeeren eingekauft, aus denen mache ich jetzt Marmelade. Irgendwas Schönes muss doch heute noch entstehen!

Da mir für gewöhnlich beim Marmelade einkochen auch oft ein Horror passiert, bei dem ich mir mindestens beim Gläser auskochen die Finger verbrühe, oder die Marmelade verschütte, oder sich der ganze kochende Topfinhalt auf dem Fußboden verteilt, weil ich die Henkel ohne Topflappen angefasst habe, und vor Hitzeschreck sofort loslasse, bereite ich alles extrem sorgfältig vor und spreche mir laut jeden Schritt laut vor.

Es ist nichts passiert, die köstlichste Marmelade in einer wunderschönen Farbe steht in sechs Gläsern vor mir. Ein Glas wird Meret noch zum Geburtstag bekommen, und eins bringe ich Tommy morgen mit.


Ich weiß bald nicht mehr was ich noch gucken kann. „Rocket Man“ wird mir auf Amazon feilgeboten. Hm, na gut.

Immerhin war die erste Single, die ich mir selbst gekauft hab, „Crocodile Rock“ von Elton John.

Das war Anfang der Siebziger im Radiogeschäft bei uns im Vorort. Da hingen immer so fünf, sechs Singles mit Wäscheklammern an einem Seil befestigt über einem Plattenspieler.

Ich weiß noch, wie aufgeregt ich war, als ich da hin bin um mein Taschengeld dafür zu opfern. Bisher hatte ich nur die Platten meiner Schwester auf meinem orangefarbenen Plastikplattenspieler abspielen dürfen.

Das waren die Beatles, The Mamas and the Papas, Melanie, der Soundtrack von „Spiel mir das Lied vom Tod“ und von „Hair“.

Die Musik meines Bruders hätte ich niemals ausleihen dürfen, die war mir eh zu anstrengend, so Jungs-Gitarren-Geschrammel, Jimi Hendrix, Amon Düül, Tangerine Dream, Ash Ra Tempel und so Zeug. Corocodile Rock war nicht die einzige Single, die ich mir da kaufte, die andere war „Spoon“ von Can.

Das beeindruckte meinen Bruder dann doch. Er dachte, er hätte mich inspiriert, aber ich hatte das Stück im Fernsehen gehört, als Titelmusik eines Krimis, der „Das Messer“ hieß.

Also dann Rocket Man.

Nach 10 Minuten merke ich, dass das ein Musical ist. Um Gottes Willen, das ist ja furchtbar. Ich kämpfe mich trotzdem weiter, weil ich eigentlich gespannt bin, wie es dazu kam, dass Elton John zu Elton John wurde. Es ist wirklich unerträglich, dazu kitschig, fein geschliffen, ich halt es kaum aus. Andauend will ich abbrechen, aber ich schaue den Scheiß bis zum Ende.

Herrje, was ist nur mit mir los. Das kann nur an meinem Scheißtag liegen, eine Art Zusatzbestrafung, was weiß ich.

Zumindest erinnere ich mich durch diesen Film wieder an ein anderes Lieblingsstück, das ich schon längst vergessen hatte: „Benny and the Jets“.



ree



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