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Freitag, 22. Mai

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 22. Mai 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Um 6 Uhr morgens stehe ich das erste Mal auf, öffne die Schlafzimmertüre und schon begrüßen mich die beiden Mäusekätzchen und kleben mir ab dann an den Fersen. Als ich mich nochmal ins Bett lege, passiert das, weshalb ich überhaupt die Türe verschlossen hatte: sie stürzen sich abwechselnd auf meine Zehen.


Nach dem Frühstück gehe ich am Zülpicher Platz einkaufen und mache das aus der Tourismus-Perspektive. Ach, wie nett, die haben hier handgemalte Schilder neben den Bürgersteig gehangen, man soll doch bitte, bitte den Fahrradweg auf der Straße benutzen. Ich roll aber trotzdem weiter auf dem ehemaligen Fahrradweg und begegne 672 Einheimischen. Kaum einer trägt Maske, man geht sich ungern aus dem Weg. Soso, dieser Rewe hat keine Türsteher die den Einlass regeln. Oh, eine frische Fische Theke und Japaner die gerade Sushi-Schalen auffüllen. Aha, so sieht also der Rossmann von innen aus, interessant, was die so im Angebot haben.

Ich kaufe in beiden Läden unnötig viel Zeug, Erdbeereis, Schrundencreme, Süßigkeiten, frische Pilze, eine Olivenbratwurst, Handdesinfektionsspray für die Handtasche, Limonenöl für die Haare, Thunfischsalat, Brötchen und einen Express. Wegen der Headline:

Kölner Veedels-Kneipe: gefährlicher Schnaps Irrtum.

Dahinter ein Foto von der „Bagatelle“, in der ich ja auch gerne mal was essen gehe. (Schönen Gruß an Janine Jacke in Frankfurt)

Sie hatten Desinfektionflüssigkeit in kleine Fläschchen gefüllt und auf die Tische gestellt. Zum Hände desinfizieren. Allerdings hatten das feiernde Vatertagskerle nicht kapiert und sie als Willkommensschnaps geext.


Mit zwei gefüllten Taschen zurück in mein neues Heim, meine Babys erwarten mich schon an der Tür als ich sie aufschließe.


Melodie hatte sich für einen Besuch angekündigt, bis sie mit ihrem Sohn Louis kommt, spiele ich mit den Kätzchen, belohne sie immer wieder mit Leckerlis, filme ihre kaum aushaltbare Sweetness.

Das Leben kann so schön sein.

Ich telefoniere etwas, höre Musik, die Katzen bewegen sich kreuz und quer durch die Wohnung.


Einmal klingelt der Postmann, ich öffne nur kurz die Tür.

In der Wohnung finde ich daraufhin die Katzen nicht mehr. Alle mir bekannten Verstecke hab ich abgegrast. Nichts.

Ich raschele mit der Leckerli -Tüte, gebe Zischlaute von mir, nichts.

Mein Herz rast.

Obwohl das nicht sein kann, öffne ich die Fenster und schaue raus, ob sie im Vorgarten sind. Natürlich nicht.

Ob sie mir beim Öffnen der Wohnungstür entwischt sind? Das kann auch nicht sein, weil sie zu ängstlich sind, aber ich schaue auch im Treppenhaus nach.

Danach wieder alle Verstecke.

Was mach ich nur?

Um Gottes Willen, das war ja klar, dass das mir passiert, während ich die Verantwortung für die Babys habe.

Ich bin ziemlich verzweifelt, rutsche am Boden die ganze Wohnung lang, und finde endlich wenigstens Sookie.

Sie lag unterm Bett auf einer Kiste. Aber wo ist Chili?

Sookie kommt mit und freut sich über ein Leckerli. Da taucht auch Chili völlig verpennt auf, streckt sich ausgiebig und möchte jetzt auch ein Leckerli.

Puh, keine Ahnung wo sie war, aber mir fallen Zentner der Erleichterung vom Herzen.

Macht das nie wieder mit mir, schimpfe ich sie aus.

Ich hoffe, sie haben verstanden.


Als die beiden kommen, ist Louis sofort in die Kätzchen verliebt, Melodie kann sich auch kaum wehren, der Familienrat tagt seit Tagen ob sie sich auch zwei Kätzchen anschaffen. Melodie zögert noch, da sie den Schmerz kennt, wenn eine Katze nicht mehr da ist. Das ist ja auch einer der Beweggründe, weshalb ich mir nie wieder eine Katze geholt habe, weil der Verlust von Jackie, der vor 10 Jahren verunglückte, noch immer nicht wirklich überwunden ist.


Wir trinken Cappuccino und selbstgemachte Granatapfellimonade im „Café Central“ vom Hotel Chelsea. Dort ist bisher die strengste Auflage zum Ausfüllen der Personendaten. Im Sette, im Hörnchen und auch im Pepe reichte die Angabe einer Person, hier muss jeder mit Adresse und Telefonnummer eingetragen werden, sogar Louis.


Wieder zurück klingelt mein Telefon mit einer mir unbekannten Kölner Festnetznummer. Neugierig gehe ich dran. Es ist die alte Frau Pohl von hier aus dem Haus. Vor Jahren gab ich ihr mal meine Telefonnummer, weil Sunia uns miteinander bekannt gemacht hatte, da Frau Pohls Mann nach einem Schlaganfall Zeichen von Demenz zeigte, ich mich mit ihr traf und wir ein paar Sachen besprachen.

Jetzt offenbart sie im Gespräch, dass sie gesehen hat, dass ich hier jetzt auf die Katzen aufpasse, und sie erzählt mir detailliert, wann ich einkaufen war, wann der junge Mann kam, und wie oft ich am Fenster sitze. Das ist vollkommen gruselig, und ich stehe sofort von meinem Fensterplatz auf und setze mich woanders hin.

Sie plaudert weiter so dahin, ich antworte höflich, aber ich will schnell auflegen, am besten die Rollläden runterlassen und mich unterm Tisch verstecken. Dass die Leute von gegenüber hier alles sehen können, stört mich nicht im Geringsten, aber dass ich von seitlich gestalkt werde, schon.


Nach dem Abendessen den Rest von „Chernobyl“ auf Sky geschaut. Danach „Westworld“ angefangen, eine andere Serie, die ich schon immer mal sehen wollte. Aber diese Umständlichkeit hier nervt. Ausserdem kann ich es ja dann nicht weitersehen, weil morgen mein letzter Tag ist.

Da ist es viel schöner mit den Katzen zu schmusen oder ihnen zuzuschauen, wie sie gerade wieder steil gehen und über Stock und Stein rasen.


ree







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