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Freitag, 20. März

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 20. März 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Apr. 2020

Frühlingsanfang


Es regnet zwar nicht, aber das Wetter ist stark abgekühlt.


Markus ruft aus seiner Reha-Klinik an. Er überlegt ob er abbrechen soll, wegen Corona fallen viele Therapien aus, er hat keine Ahnung ob er im Schlimmsten Fall da in Quarantäne kommt, er will nach Hause.


Statistik 9.00 Uhr

über 15.000 Infizierte 44 Todesfälle


Im Morgenmagazin berichten sie von deutschen Touristen, die von den Philippinen, aus Marokko, Ägypten, Peru, Südafrika etc. auf Staatskosten zurückgeholt werden.

In ganz Kalifornien ist die Ausgangssperre verhängt worden.


Auf der Arbeit zeigt mir die Chefin die neue Struktur: die sonst proppenvolle Pinnwand und auch eine zugestellte Flipchart sind mit Aktivangeboten sowohl als Einzelbegleitung als auch für Kleingruppen in einer Art Tabelle aufgeschrieben, unter die wir dann unsere Kürzel und die Bewohner schreiben sollen, sobald etwas erledigt ist, und für alle Kollegen sofort sichtbar. Ist übersichtlich, besser als meine Zettelwirtschaft. Könnte klappen.


Massimo ist wieder da und machte eine kleine Gruppe mit Gedächtnistraining. Love.


Ich drucke die Aushänge von der Erzbiztumsmail aus und verteile sie auf den Pinnwänden der 6 Wohngruppen. Ein paar Ausdrucke bringe ich den paar besonders frommen Bewohnern aufs Zimmer. Überall natürlich mit einem kleinen Pläuschen und gute Laune verbreitend.

Neun Mieter von oben haben sich angemeldet für den Einkaufdienst von dem Homeofficemann. Muss jetzt nur noch den Anruf von ihm abwarten, damit ich nach seinem Einverständnis seine Telefonnummer an diese Mieter weitergeben kann. Und dann auch aus dieser Nummer raus bin.


Gehe mit Herrn G. draussen spazieren, er wittert Verschwörung, und wettert die ganze Zeit draussen rum, so dass ich ihn bald wieder reinbringe.


Fr. N. schmeißt mich trotz Bestechungsversuch in Form eines Schokobons, lautstark aus ihrem Zimmer. „Verschwinden Sie, aber auf der Stelle!“


Auch Fr. B, die letzten Tage mir eher wohlgesonnen, „dreißig, vierzig, fünfzig, bleib hier, honkonkgkonggong, ja genau, bleib!“, hat mit Massimo alles neben sich, was sie braucht: „Nein, tampemtamgankonghonkongonong nongkong, nein, nein“, schimpft sie, „Geh weg! Tongtongkong! Geh weg!“ - Verzeihung, ja ich gehe! - „Genau!“


Frau Sch. will aufgeschrieben haben, wie das Medikament heißt, dass sie abends bekommt, und wofür das ist. Es stellt sich raus, dass sie gar nichts mehr bekommt, bis gestern hatte sie noch Antibiotika bekommen. Sie ist beruhigt.


Herr W. sagt zu mit mir Kreuzworträtsel zu lösen. Als ich ihn besuche, liegt er dösend auf dem Bett, steht aber sofort auf, ich sag,

„Ich geh schon mal in den Gruppenraum, und mache Ihnen einen Kaffee“. Er: „Ja danke, ich komme sofort.“

Er kommt aber nicht. Nach 10 Minuten schaue ich nach ihm, er steht am geöffneten Fenster und meint, er schnappe nur frische Luft, „Ok, ich warte dann auf Sie.“ Aber er kommt immer noch nicht. In der Zeit mache ich kurz Gedächtnistraining mit zwei Bewohnerinnen, die da sitzen. Ich hab keine Materialien dabei, aus dem Kopf bitte ich sie Redewendungen zu vollenden.

Aber mein Gedächtnis ist grad auch blockiert und mir fällt nach wenigen Minuten auch nichts mehr ein. Gebe das dann zu, was die Damen erheitert „Tja, das kann jeden treffen, ist nicht schlimm!!“ lächelt Frau K.

Weil ich weiter muss, bringe ich Herrn W. den Kaffee und lege ihm das Rätsel auf den Tisch, auf dem das erste Wort von mir gelöst ist, so machen wir das immer, abwechselnd Wörter eintragen. Er steht immer noch mit in die Ferne schweifendem Blick am Fenster und bedankt sich höflich.


Frau St. ist am Morgen gestürzt, sie wird ins Krankenhaus abtransportiert. Am Mittag die Nachricht, Oberschenkelhalsbruch, sie muss sofort operiert werden. Wir sind leider alle etwas erleichtert, dass sie uns in den nächsten Tagen nicht wahnsinnig machen kann.


Aus geheimen Quellen geht hervor, dass der Lockdown spätestens am Montag bevorsteht, der Heimleitung werden Formulare geschickt, die alle unterschrieben werden müssen, das sind dann unsere Passierscheine, weil wir in einem systemrelevanten Job arbeiten, und deswegen auf der Strasse sein dürfen.


Um 16:00 Uhr ruft endlich der Homeofficemann an, wir besprechen alles, ich gehe in die 3. Etage, gebe den Mietern seine Telefonnummer, erkläre nochmal alles und bin dann endlich raus aus diesem Thema, und raus dem Haus, ich hab eigentlich seit einer halben Stunde Feierabend. Hoch die Hände (freies) Wochenende.


An einer Kreuzung muss ich warten und sehe an einem Laternenpfahl ein Nachbarschaftshilfe Angebot, man soll sich bitte an folgende Mailadresse wenden. Herrgottsack, welcher bedürftige Senior ist schon online unterwegs?


Es ist wieder kälter geworden, das herrliche Wetter ist endgültig vorbei. Bei der Lagebesprechung mit Tommy auf einer Bank an der Bonnerstrasse frieren wir uns den Arsch ab. Cappuccino von Formula Uno. Köstlich.


Danach einkaufen. Grusel. Rewe hat jetzt einen Plexiglasschutz für die Kassierer angebracht, und Streifen auf den Boden geklebt, um besser Abstand halten zu können. Viele Regale sind leer, ein Anblick, der mich immer noch verwirrt. Klar, kein Klopapier, keine Taschentücher, immer noch keine Milch, meine Zigarettenmarke ist auch aus, achja, die Stange! Ich muss noch zu dem Tabakwarengeschäft!


Statistik 20 Uhr

20.000 Infizierte 50 Todesfälle

521 Infizierte in Köln

Tommy bittet mich per Nachricht, dieses Wochenende unsere Treffen ausfallen zu lassen. Da muss ich mich wohl fügen.


Malte und ich schicken uns täglich Corona oder Klopapierwitze. Dies, das, du weißt.


Die Passionsspiele aus Oberammergau werden heute offiziell abgesagt, auf 2022 verschoben.


Heute auf Facebook im „Nettwerk“:

Zur Ablenkung: Nenne einen Filmtitel und ersetze ein Wort darin durch "Klopapier".

(Auszug:)

- Das Klopapier der anderen

- Das letzte Klopapier

- Liebling, ich hab das Klopapier geschrumpft.

- Klopapier Dancing

- Breaking Klopapier

- Klopapier Dundee

- James Bond jagt Dr. Klopapier

- Der Teufel trägt Klopapier

- Vier Fäuste für ein Klopapier

- Freddy on Klopapier

- Vom Klopapier verweht

- Im Klopapier nicht Neues


Ein Klopapierrechner macht die Runde (www.reichtmeinklopapier.de)



ree


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