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Donnerstag, 28. Mai

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 28. Mai 2020
  • 3 Min. Lesezeit

Die Nacht war natürlich Horror. Da ich mich im Urlaub an sonderbare Schlafenszeiten gewöhnt hatte, funktionierte das frühe Schlafengehen nicht wirklich. Ich wurde tausendmal wach, jedesmal mit Blick auf die Uhr, wieviel Zeit ich noch bis zum Aufstehen habe. Völlig unentspannt. Als der Wecker piept, dreh ich durch. Das kann ja wohl nicht wahr sein, nur noch ein Viertelstündchen…


Auf der Arbeit großes Hallo. Nicht nur die Kollegen freuen sich, auch vielen Bewohnern ist aufgefallen, dass ich fehlte und jetzt wieder da bin. Das ist sehr süß.

Adele schenkt mir nachträglich zum Geburtstag eine Flasche feines Olivenöl. Mit meiner Vorliebe für Olivenöl hatte ich noch nie hinterm Berg gehalten.


Papa freut sich, macht direkt lustige Fratzen, später erklärt er mir Dinge auf französisch, ich frage ihn nach den Hauptstädten der nordafrikanischen Länder, oder welche Länder an Israel grenzen, und er weiß alles. Er ist topfit und isst auch gut. Vor wenigen Tagen hatte er noch Magen-Darm. Unverwüstlich der Mann.


Frau Z. ist etwas durcheinander, hat Tränen in den Augen, packt Socken in eine Stofftasche und einen elektrischen Wecker auch noch dazu.

„Wo das ganze Zeug hin ist? Das muss doch alles noch geholt werden. Das ist alles in zwei verschiedenen Geschäften verteilt. Da hinten auf den Straßen. Wie soll das nur gemacht werden? Meine Tochter kennt das ja gar nicht. Ich rufe am besten mal meine Schwester an, die soll sofort herkommen. Ach Gott, es ist so furchtbar!“

Ich kann sie beruhigen indem ich ihre Sorgfalt lobe und ihr versichere, dass wir uns um alles kümmern werden, sie dürfe sich jetzt auch mal zurücklehnen.


Es hat sich einiges geändert, die Cafeteria ist jetzt umgerüstet, mit Plexiglastrennern auf drei Tischen, so dass bei schlechtem Wetter auch hier Besuche stattfinden können.

Wir von der sozialen Begleitung haben eine dreiseitige Dienstanweisung erhalten, die erklärt wie wir mit Angehörigenbesuchen im Aussenbereich umzugehen haben. Von Screenings, die wir mit den Angehörigen ausfüllen müssen, von bereit gestelltem Handdesinfektionsspray für sie, und Desinfektionsmassnahmen für die Stühle auf denen sie sitzen können.

Die ganzen Besuche sind jetzt voll durchstrukturiert, bis jetzt gibt es für diese Woche 64 angemeldete Besuche, die alle einzeln abgewickelt und auf uns fünf verteilt werden.

Das heißt, wir haben uns nun täglich hauptsächlich um die Durchführung zu kümmern. Das lässt uns natürlich weniger Zeit für aufwändigere Einzelbegleitungen, kleine Gruppenangebote fallen so erstmal ganz aus. Die Aktion Stift und Papier ist mittlerweile auch auf nur wenige Bewohner geschrumpft die wirklich diese Brieffreundschaften pflegen möchten. Das ist schon mal gut, war auch so ein Zeitfresser.


Die ganzen neuen Infos die auf mich niederprasseln, das Stromern kreuz und quer durchs ganze Haus um die Bewohner zu begrüßen, die Gespräche, die dann entstehen, die zwei Besuche die ich nach den neuen Methoden abwickle - meine Mehlwürmer im Kopf sind wieder voll am Start, ich weiß mein Passwort für den Computer nicht mehr.


Früh Feierabend haben ist schön. Tommy hat aber noch keine Zeit, ich versuche also allein zuerst im Sette einen Cappuccino zu trinken, die haben jetzt donnerstags immer noch Ruhetag, die Wahnsinnigen, im Forum ist kein Tisch frei, dann zum Hörnchen, da ist auch alles voll, dann letztendlich ins ehemalige Meister Gerhard, wo ich Gott sei Dank einen kleinen Tisch ergattern kann. Dieses schöne Wetter gefällt echt jedem, und alle wollen draussen im Café sitzen. Mist.


Zuhause bau ich wieder die Bude um, damit ich gleich genug Platz habe für die nächste Online Yoga Session. Heutiges schweißtreibendes Thema: Schlüsselbeine.

Weil mein linkes Knie malad ist, kann ich sämtliche Übungen nicht mitmachen und krieg Alternativen zugewiesen.


Danach koche ich mir was Feines und übertreffe mich selber. Tomatensalat mit Wassermelone, Feta und Oliven in Zitronenvinaigrette, Tortiglioni mit selbstgemachtem Basilikum-Walnuß-Chili-Pesto. Madonna! Wie unfassbar lecker.


Eigentlich will ich dann den Eames-Nachbau-Schreibtischstuhl zusammenbauen, den ich günstig geschossen hatte und der heute angekommen ist, aber Tommy möchte sich noch mal treffen, hat Redebedarf.

Im Forum verbringen wir die letzte geöffnete Stunde, Paolo, der früher im Sette gearbeitet hat, freut sich sehr und kommt alle paar Minuten um irgendwelche lahmen Scherze zu machen, über die er sich selbst am meisten kaputt lacht.


Ich bau dann vorm Schlafengehen echt noch diesen Scheißstuhl zusammen, und muss zugeben: echt bequem. Ciao Rückenschmerzen.



ree




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