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Donnerstag, 21. Mai

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 21. Mai 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Ab heute ziehe ich für ein paar Tage ins Quartier Latin, in Sunias Wohnung, zum Katzenbabysitten.

Darauf freue ich mich schon die ganze Zeit, Katzenbabys, gibt es was Schöneres?

Mittags reist Sunia mit ihrem Sohn Kolja ab, aufs Land in eine Mühle, wo sie sich mit ihrer Schwester und deren Familie trifft.

Die beiden weiß-grau gepunkteten und getigerten Kätzchen akzeptieren mich superschnell und sind so herzallerliebst, ich könnte ihnen stundenlang zugucken, Videos machen, zugucken, kraulen, Leckerlis geben, zugucken, Videos machen.

Das mache ich auch, sende kleine Filmchen an sämtliche Freunde, die sofort fordern, die beiden zu klauen.


Rufe auf der Arbeit einen Pfleger an, er möchte bitte mal meinen Papa drücken, zu Vatertag.

"Ja, klar. Sonst noch was?" Es ist Wolli, unsere Unterhaltungen sind immer sehr charmant.

"Und knuddeln!"

"Ja, natürlich. Sowieso."

"Hat er noch genug Cola?"

"Kannste in jedem Fall bestellen, wird ja nicht schlecht."

"Ok. Ich kümmere mich drum."

"Schönen Urlaub noch!"

Kurz vor meinem Yoga Online Kurs kommt Tommy vorbei, der gleich mit ein paar Kollegen ganz hier in der Nähe zum Essen verabredet ist.

Obwohl Sunia eine phänomenale Espressomaschine hat, zieht er Blutorangensaft-Schorle vor.

Wir hängen ein bisschen auf dem Balkon ab, dann muss ich mich schon auf den Kurs vorbereiten.


Die Matte und das restliche Zeug hatte ich in Koljas Kinderzimmer an einer freien Wand ausgelegt. Mechthild gibt mir Anweisungen, dass ich noch einen Stuhl dazuholen soll und die Matte bitte quer legen, damit sie meine Haltungen besser sehen kann.

Es ist wieder mal großartig, draußen sind es 27 Grad, viele haben noch schnell abgesagt, und wir paar Übriggebliebenen powern da, von der Hitze geschmeidig wie Gummi, hochkonzentriert die feinsten Asanas.

Der Fokus liegt heute auf der Achselhöhlenaußenseite. Andauernd müssen wir neu eindrehen, ausdrehen, in sämtliche Übungen wird diese sehr konkrete Arm- und Schulterbewegung eingebaut und kontrolliert. Bei Trikonasana lobt mich Mechthild sogar, und ich bin stolz wie Oskar. Das ist sehr selten, Mechthild schimpft eigentlich viel lieber als dass sie lobt, das macht auch allen Beteiligten mehr Spaß, weil sie das sehr gut und lustig macht, diese Schimpferei. Bin danach wahnsinnig geschafft, aber auch gelöst. Mir fällt wieder auf, dass Yoga nicht nur körperlich was macht, also Beweglichkeit fördert und so, sondern auch einen Nebeneffekt springen lässt: ein inneres Wohlgefühl.

Das vergesse ich immer nach längeren Pausen vom Yoga und Mühe habe wieder reinzukommen. Doch dadurch, dass dieser Effekt schon nach der ersten Stunde wieder einsetzt, hilft es die Faulheit zu überwinden um bei der nächsten Session wieder dabei zu sein. Funktioniert also viel schneller als die körperlichen Verbesserungen, da braucht man in der Tat ein paar Wochen um Erfolge zu verspüren.


Ich gehe rüber ins sehr feine „Tanica“ und bestelle mir ein Pastagericht to go. In meinem neuen Zuhause setze ich mich gemütlich ans geöffnete Fenster und erlebe ein kulinarisches Highlight, das ich schon lange nicht mehr hatte. Die Nudeln sind mit Venusmuscheln in einer Pistazienpesto, unfassbar wie das schmeckt, das hab ich mit Pesto noch nicht erlebt.

Laut seufze ich auf und erzähl den Kätzchen wie geil das gerade ist. Sie sitzen mir gegenüber auf dem Tisch (das erlaubt ihnen Sunia) und schauen mir interessiert zu. Nach dem Rauspulen der Muschel lecke ich jede einzelne Schale von innen und außen ab. Göttlich.


Jetzt bin ich so platt, dass ich meinen Plan sofort umsetzen kann: Aufs Sofa legen und auf Sky wegbingen, was ich schon immer mal alles sehen wollte, aber nie konnte, da ich kein Sky habe.

„Chernobyl“ zum Beispiel. Jossek hatte dafür gearbeitet, die Dreharbeiten waren hauptsächlich in Litauen, und ich besuchte ihn damals in Vilnius. Vilnius entpuppte sich als eine der schönsten Städte, die ich je besucht habe. Ich genoß jeden einzelnen Tag dort, überall duftete es nach Flieder, täglich fand ich neue wunderschöne Orte. Es wirkte so italienisch, dass man das Mittelmeer gleich um die Ecke vermutete.

Das war ungefähr zur selben Zeit wie jetzt, denn ich verbrachte dort meinen Geburtstag wundervoll inkognito. Den ganzen Tag kurvte ich durch Vilnius, ging in Parks, Kaffee trinken, essen und shoppen, ohne dass nur ein Mensch ahnte, dass ich Geburtstag hatte, was ein berauschendes Gefühl war. Sogar Jossek hatte an dem Morgen als er zur Arbeit fuhr vergessen, dass ich Geburtstag habe, das war so herrlich. Nachmittags fiel es ihm aber wieder ein, und er rief mich an. Abends gingen wir fantastisch essen.


Jetzt kann ich nach langem Warten "Chernobyl" sehen, und endlich Josseks Kostümbearbeitungen bestaunen.

Drehe aber schon bald bei der Fernbedienung und dem "Magenta"Menu total durch.

Wenn man auf Pause drückt, reagiert sie auf keine weiteren Aufgaben, also wieder ganz zurück bis zum Oberfeld der Serie, wieder von vorne, jetzt läuft es in Originalsprache. Und ohne Untertitel. Stöhn. Die ganze Zeit falle ich auf alle Schikanen rein, die Magenta oder die Fernbedienung oder der Technikgott sich so einfallen lässt.

Auf diese nervtötende Weise schaffe ich in vier Stunden gerade mal drei Folgen, bei der letzten schlafe ich vor Erschöpfung ein. Als ich wach werde, schleppe ich mich ins Bad und dann ins Bett, mit der Erkenntnis, dass mein Plan hier Sky leer zu gucken nicht funktionieren wird.



ree


für Lori

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