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Dienstag, 9. Februar 2021

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 9. Feb. 2021
  • 9 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 5. Juni 2021

Mein neuer Rauchmelder im Flur schlägt schon zum dritten Mal innerhalb eines kurzen Zeitraumes wegen Bratqualm aus der offenen Küche an (Luftlinie Herd-Rauchmelder: 3 Meter). Dieses Geräusch ist, wie allgemein bekannt, das Schlimmste was man sich nur vorstellen kann. Mir ist ja klar, dass so ein Signal bei echter Gefahr wirksam sein muss.

Aber dieses Geräusch ist völlig übertrieben, die Lautstärke nicht aushaltbar, geradezu schmerzhaft. Dieses neue Teil kann man zwar, wenn man es genau mittig trifft, mit einem Besenstiel zum Schweigen bringen. Aber bis man den Besen gefunden hat, ihn dann zitternd mit aller Kraft nach oben stößt, und tatsächlich nach drei bis zwölf Versuchen die Mitte fest genug getroffen hat, so dass es die Fresse hält, vergehen zermürbende Sekunden, die einen jedesmal mit pochendem Kopfschmerz zurücklässt.

Man könnte entweder die Lautstärke reduzieren, denn man hört doch schon aufgrund dieses fiesen Tons, dass da ein Warngeräusch am Start ist, selbst wenn man laut Musik hört oder sonstwie akustisch abgelenkt ist, oder aber die beste Idee wäre doch, ein Lichtsignal abzuspielen. Sehr wahrscheinlich gibt es das sogar, oder wie sollen Gehörlose auf Rauchmelder reagieren? Von mir aus Polizei-Blaulicht, oder rotes Blitzlichtgewitter, nur bitte nicht diesen Scheiß.

Ich fürchte, ich baue den ab. Aber das sage ich mir jedesmal wenn er losgeht und vergesse es am nächsten Tag wieder. Ist ja auch mit Aufwand verbunden, Leiter holen und über Kopf da rumschrauben. Ich muss es wirklich abbauen, denn ich werde sonst eher an einem Herzinfarkt als an einer Rauchvergiftung sterben.


Das Wetter ist furchtbar, es ist kalt, meistens regnet es noch dazu, ich hab Sehnsucht nach Sonne und Sommer. Beim Ausmisten von alten Fotos in der I Cloud ("Ihr Speicher ist voll. Wollen Sie upgraden?"), verweile ich bei den Urlaubsfotos aus Griechenland. Seufz.


Die liebste Teufelin Carina aus Berlin hat mir ein Paket geschickt, darin eine Geldbörse von Miu Miu.

So süß: als sie es auf Kleiderkreisel entdeckt hat, musste sie sofort an mich denken, und hat es mir bestellt. Obwohl die Börse aus reinem Kunststoff ist, ist sie sehr schwer. Die Öffnung mit Bügelverschluss besteht aus dickem rosa Plastik, der Beutel an sich aus massivem Silberglitzer. Wie trillionen funkelnder Salzkörner strahlen mich diese Pünktchen an, und verheißen sinnlosen Luxus. Ein Traum für alle Barbie-Prinzessinnen, die zufällig auch auf die unkonventionellen Entwürfe der kleinen Schwester von Prada stehen. Großartig, das Carina dabei an mich denkt. Love.


Auf der Arbeit musste ich neulich eine schwergewichtige Bewohnerin im Rollstuhl zum Frauenarzt begleiten. Begleitende Arztbesuche gehören auch zu unseren Aufgaben. Wenn sie eingearbeitet wurden, machen das üblicherweise unsere FSJler, aber unsere Neue ist noch nicht so weit. Jemandem mit dem Rollstuhl zu transportieren kann sehr herausfordernd sein, von Unebenheiten auf dem Bürgersteig, wackelnde Bodenplatten, Schlaglöcher usw, bis hin zu hohen Bürgersteigen rauf und runter und in viel zu engen Wegen an falsch geparkten Autos vorbei, ist das manchmal der reinste Nervenkitzel. Wenn dann noch eine voluminöse Person in dem Rollstuhl sitzt ist es dazu auch noch eine reine Kraftanstrengung.

Frau St. wohnt erst seit zwei Monaten bei uns, und ist ganz am Anfang einer beginnenden Demenz, die sie aber noch hervorragend verbergen kann. Sie ist einigermaßen dick und kann sich kaum bewegen, jedenfalls wird sie es nicht schaffen den Kilometer zur Praxis per Rollator inklusive Verschnaufpausen unter 5 Stunden hinzukriegen. Also Rollstuhl.

Es ist kalt, sie friert ein wenig, aber mir läuft schon nach wenigen Minuten der Schweiß den Rücken runter, denn der Weg ist wie oben beschrieben mit allen Schikanen gesegnet. Da würde man schon mit einer 50 Kilo-Person ins Schwitzen geraten.

Sie entschuldigt sich die ganze Zeit, weil sie mich keuchen hört, aber ich lache dann und versichere ihr, dass alles okay ist, das wäre doch mein Job, dafür bin ich doch da, und ein bisschen Sport tut mir auch mal ganz gut und so.

Als wir ankommen, reiße ich mir erstmal die Kleidung vom Leib, setze mich mit ihr, sie behält ihren Mantel an, denn ihr ist ja noch kalt, ins Wartezimmer und versuche die drei Fragebögen für sie auszufüllen. Den mit den Datenschutzerklärungen kriegen wir schnell hin, ihr Geburtsdatum weiß sie noch, und die Adresse kenne ich ja.

Aber bei den anderen Zetteln geht’s um Vorerkrankungen, Medikamente, Allergien, die sie auch nicht so recht weiß. Und den Grund weshalb sie hier ist, weiß sie auch nicht und regt sich auf, weil sie eigentlich überhaupt keinen Bock darauf hat und den ganzen Zirkus hier ablehnt. Ich rufe auf ihrer Etage an und frage einen Pfleger nach sämtlichen Infos, und weshalb sie denn jetzt eigentlich hier ist. Das meiste kann er mir beantworten, aber den genauen Grund kann er auch nicht eruieren, vermutlich hat der Urologe, der sie letztens im Haus untersucht hat, eine gynäkologische Abklärung gefordert.

Na schön, ich gebe die Zettel alle ab, und wir dürfen zum Arzt, der uns schon mit verschränkten Armen an seinem Schreibtisch sitzend empfängt.

Er fragt sie emotionslos, was er denn für sie tun könne, da schiebt sie ihre Maske ein wenig runter, um ihm besser verständlich zu machen, dass sie es auch nicht wisse. Er hört gar nicht was sie sagt, weil er sie sofort anschnauzt, sie soll ihre Maske wieder hochziehen. Das macht sie und erklärt erneut, dass sie es nicht wisse.

„Tja, ich weiß es auch nicht. Und nun?“ Arrogant schaut er mich an, ich zucke mit den Achseln und sage ihm, dass ich vom sozialen Dienst bin und sie nur begleite, und dachte, es wäre alles besprochen.

„Nein. Ich weiß von nichts.“

"Ich glaube ein Urologe bat um eine Abklärung."

"Was soll ich denn abklären?"

"Hm. Ich versuche nochmal im Haus anzurufen. Vielleicht weiß man mittlerweile mehr." "Ja, das wäre sinnvoll."

Während ich die Heimleitung anrufe bringt sich Frau St. immer wieder ein, vielleicht hätte das wirklich was mit dem Urologen zu tun, sie habe jedenfalls Unterleibsschmerzen, Bakterien habe sie auch, aber da nehme sie schon was gegen, schiebt dabei hin und wieder ihre Maske runter, er rastet jedesmal wieder unfreundlich aus.

Also ehrlich, ein Frauenarzt sollte mehr als empathisch sein, er sollte wirklich lieb, zuversichtlich, vorsichtig und vertrauenserweckend sein, weil gynäkologische Untersuchungen immer grauenhaft sind, weil frau ängstlich und nervös ist, vielleicht noch schamhaft und sich eh sträubend. Dieser Mann ist das Feindbild einer jeden Frau, die sich gynäkologisch behandeln lassen muss.

Am Telefon erklär ich der Heimleitung kurz das Problem, sie will mich sofort zurückrufen, wenn sie die Pflegerin, die diesen Termin gemacht hat, privat erreicht, denn die hat heute natürlich frei.

Der Fiesling fragt sie immer wieder spezifisch nach möglichen Ursachen, die sie jedoch nicht beantworten kann, worauf er mich jedesmal entnervt anguckt, und ich ihm einmal leise zu verstehen gebe, dass sie halt auch manchmal nicht ganz orientiert sei, was ihm eigentlich als Arzt nicht entgangen sein dürfte. Das hört Frau St. und echauffiert sich, natürlich sei sie orientiert, das sei alles eine blöde Situation, sie wundere sich ja selber, weshalb sie hier einen Termin habe.

Mittlerweile hat er von Fr. St. rausbekommen, das sie eine Totaloperation hinter sich hat. „Na, das ist ja schon mal was!“

Er ist so böse und ich lege ab jetzt Missbilligung in meinen Blick, wenn er mich wieder verachtend zu mir dreht. Am liebsten würde ich mir Frau St. schnappen und hier abhauen. Da ruft die Heimleitung zurück, sie hat die Pflegerin erreicht, es handele sich um eine vom Urologen gewünschte Abklärung ob eine Blasensenkung vorliege.

„Na gut. Dann kommen Sie mal mit und setzen sich auf den Stuhl.“

Frau St. sucht mich hilfesuchend an, denn ich war im Begriff sie nun mit dem Arzt allein zu lassen, ob ich ihr beim Auskleiden helfen könne.

Du meine Güte, das war mir nicht klar, dass sie das nicht kann, ich kann sowas jedenfalls auch nicht, aber fange dann an ihre Kleidung zu öffnen, vom Mantel über die Schuhe bis zu ihrer Hose. Dafür muss sie jedesmal kurz aufstehen, damit ich überhaupt den Mantel rauskriege, oder die Hose über den Popo ziehen kann. Dabei hält sie sich an mir fest und wackelt ungelenk. Schon wieder läuft mir der Schweiß am Nacken runter, das ist furchtbar anstrengend. Der Doofmann schaut mir dabei mit verschränkten Armen zu und hilft nicht eine Sekunde. Als es zur Unterhose kommt, habe ich Schwierigkeiten sie runterzuziehen und entdecke eine Vorlage die zwischen ihren wirklich dicken Oberschenkeln stecken bleibt. Jetzt kommt also noch Ekel hinzu, eine masslose Überforderung und ich schaue den Arzt fragend an. Er regt sich nicht.

„Haben sie vielleicht Handschuhe für mich?“

Er reicht mir wortlos ein Paar Handschuhe, als ich sie angezogen habe, ziehe ich ihr diese

-Gott sei Dank- frische Vorlage weg. Nur als sie sich auf den Stuhl setzen muss, und ich mit aller Kraft versuche sie dorthin zu bugsieren hilft er kurz indem er einen Arm von ihr nimmt. Endlich sitzt sie, und ich verlasse augenblicklich den Raum. Völlig erschöpft erkundige ich mich bei der freundlichen Arzthelferin an der Empfangstheke nach der Toilette, und werfe die Handschuhe in ihren Müllkorb. Die ist am anderen Ende der Praxis, und ich nutze die Zeit auf dem Klo zu überreißen, was für ein Arsch dieser Mistkerl ist.

Wie konnte er nur Gynäkologe werden?

Frauenhass?

Warum ist er so unfreundlich?

Und dann auch noch bei einer älteren, offenbar leicht verwirrten Dame!

Checkt der nicht, dass sie Privatpatientin ist, könnte er nicht wenigstens deswegen versuchen ein wenig den Netten zu spielen?

Als ich rauskomme sagt mir die Arzthelferin, Frau St. sei fertig, ich könnte sie wieder ankleiden. Herrjeh, mir bleibt auch nichts erspart.

Er sagt, er habe keine Blasensenkung feststellen können. Sie versucht gerade von dem Stuhl zu klettern und verkündet:

“Wie ich vermutet habe, alles umsonst. Totaler Mist ist das. Unnötig. Jetzt muss ich aber erstmal auf die Toilette.“

Bei dem Gedanken sie jetzt komplett wieder anzuziehen sie dorthin in den letzten Winkel der Praxis zu karren um sie dann wieder auszuziehen und anschließend wieder anzuziehen, verdrehe ich innerlich die Augen, der Arzt verdreht sie tatsächlich.

Ich bitte ihn, ob ich sie nicht so auf den Rollstuhl setzen dürfe, und sie dann anschließend in der Toilette fertig anziehe.

„Nein, das geht nicht. Sie ist ja untenrum nackt.“

„Aber es ist niemand da!“

„Es könnte aber jemand kommen.“

Wir haben kurz vor 13 Uhr, bestimmt hat er jetzt Mittagspause, wir waren die letzten, da kommt bestimmt keiner. Er ist einfach ein grausamer Arsch.

Also bitte ich erneut um Handschuhe, ziehe ihr mühsam die Unterhose wieder an. Wir schnaufen beide vor Anstrengung.

Anscheinend dauert ihm das jetzt doch zu lange, er meint großzügig, dass ich jetzt halt doch los kann, sie habe ja eine Unterhose an. Ich soll aber alle Sachen mitnehmen.

Mit der Vorlage, ihren Schuhen, ihrer Hose, ihrem Mantel, ihrem Schal und meiner Handtasche in den Händen und auf den Armen schiebe ich sie wie ein Packesel durch die Praxis bis zur Toilette. Dort ist es wieder eine derbe Anstrengung sie zum Stehen zu bringen, sie ist ja auch nur auf Strümpfen, hoffentlich rutscht sie jetzt nicht damit auf dem Kachelboden aus. Es ist so eng und ich kann sie über den Rollstuhl hinweg kaum halten, aber wir schaffen es ohne weitere schlimme Überraschungen, dass sie endlich Pipi machen kann. Die Vorlage habe ich weggeschmissen, sie wird es ja wohl bis zuhause ohne schaffen. Aber als sie fertig ist, bittet sie um eine neue. Hier liegt nichts rum, und ich will nicht schon wieder zu dem Arsch und um etwas bitten, also biete ich ihr an aus ein paar Papierhandtüchern eine zu falten, zuhause bekäme sie sofort einen anständige. Gott sei Dank lässt sie das zu.

Schweißgebadet nach dem Ankleiden fahre ich sie zurück nach Hause.

Auf dem Heimweg ist sie zu Recht schlecht gelaunt, schimpft über diese sinnlose Aktion, von der kein Mensch wüsste, was das sollte. Ich erkläre ihr, dass eine Abklärung ja auch bestimmte Erkrankungen ausschließe, so wie jetzt bei ihr eine Blasensenkung, das wäre also nicht ganz so sinnlos wie es jetzt für sie scheint, aber der Arzt, der war wirklich ein furchtbarer Mensch. Sie entschuldigt sich dann wieder für all die Umstände, die sie mir macht, und ich bestätige wieder fröhlich, das mir das alles nichts ausmacht.

Innerlich koche ich vor Ärger:

Was für ein idiotischer Arzt!

Wie konnten die Pfleger mir sowas antun?

Wie kann man eine solch hilfsbedürftige Person jemand mitgeben, der sich um all das nicht professionell kümmern kann?

Wieso wusste der Arzt nicht um was es geht?

Obwohl, wenn man einen Termin ausmacht, muss man doch immer angeben, um was es geht. Sehr wahrscheinlich hat die Arzthelferin, die den Termin vergeben hat, etwas verschlampt.

Solche Untersuchungen mit derart erforderlichen Hilfeleistungen sollten nur noch bei uns im Haus gemacht werden.

All das sage ich der Heimleitung, die sich später erkundigt, und völlig erstaunt darüber ist, wie schrecklich dieser Arzt war, er sei ihr empfohlen worden, und er wäre tatsächlich erst seit zwei Monaten für uns tätig.

Die Pfleger sind lieb, entschuldigen sich mehrfach, Frau St. sei normalerweise schon fähig sich allein an- und auszukleiden, aber natürlich unter Zeitdruck wäre das eine andere Sache, es tut uns leid, das kommt nie wieder vor.

Nach einer halben Stunde kommt die Heimleitung in mein Büro,

„Stellen Sie sich vor!“, der Hausarzt von Frau St., ein Freund unseres Hauses, habe sie gerade angerufen, der Gynäkologe habe ihm ein Fax geschickt, mit dem Befund von Frau St., und was das denn für unprofessionelle Leute da von unserem Haus unterwegs seien, inkompetent in jeder Linie, von nichts eine Ahnung undsoweiter.

"Dabei hatte ich ihm ja erklärt, dass ich nur die Weg-Begleitung war, weder Informationen hatte, noch pflegerisch tätig sei! Er hat nicht einmal geholfen!" seufze ich.

„Tja, das war's. Der war die längste Zeit unser Frauenarzt.“

„Ja, was für ein Idiot!“

„Der wird sich noch wundern, wenn er merkt, dass Frau St. Privatpatientin ist.“

„Hmm.“

„Also wirklich, durch Sie trenne ich mich jetzt von einer zweiten Person. Wenn das mal nicht so weiter geht!“


Das stimmt. Nach der bösen Kollegin jetzt der böse Arzt. Aber immer im Sinne: Nur das Beste für unsere Bewohner!

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