Freitag, 7. August
- Mai Buko
- 7. Aug. 2020
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Aug. 2020
Um ein großes Leid kurz zu machen: die Zahnschmerzen dauerten exakt 1 Woche an.
Erst dann konnte ich es wieder wagen meine Beißschiene da nachts drüber zu stülpen, vorher war der Druck zu hoch. Schlimme Nächte, harte Tage.
Tommy konnte mein Gejammer schon am ersten Tag nicht mehr aushalten, nach zwei Tagen opferte er mir sein Novalgin.
Den zweiten Zahnarzttermin verschob ich erst, sagte ihn dann ganz ab, und vertröstete sie auf nächstes Jahr, dann hätte ich wieder etwas Geld und würde mich melden.
Trotz der Schmerzen ackerte ich alle Punkte auf meiner Liste ab:
ich gab ein Sitzkissen für meinen neuen, geerbten Rattansessel beim Polsterer in Auftrag, färbte mir die Haare, kündigte ein unnützes aber teures Konto, tauschte meine gesammelten 5-Euro-Scheine um in 50er, da kamen 800 Euro zusammen, genial, putzte ein paar Fenster, mistete meine Regale aus, putzte notgedrungen dann alle Fächer, entstaubte Bücher und Krimskrams, baute den Schreibtisch ab, entsorgte den ganzen Scheiß, den ich schön die letzten Jahre darunter versteckt hatte, schmiss auch die Kiste Altpapier einfach in den Papiermüll, obwohl da Kontoauszüge und persönlicher Kram drin waren. Ich hatte circa drei Jahre auf einen Schredder gehofft, der dieses Problem lösen sollte, aber den besorgte ich nie.
Alles muss raus.
Zwei Säcke Altkleider weggebracht, bzw. Yun dazu gebracht sie mit dem Auto zu entsorgen. Mit Yun hatte ich dann noch einen schönen Abend verbracht. Ich kenne ihn seit fast 40 Jahren, aber die letzten beiden Jahre hatten wir uns nicht gesehen, es war sofort wie immer, albern, kicher, kicher, Vertrauen, Offenheit.
Meine 57 Hi 8-Bänder schickte ich zu einer Firma in Berlin, weil die es weit und breit am günstigsten digitalisieren und auch ohne Aufpreis die passenden Formate und Träger liefern. Beim Verpacken in ein DHL-Paket vergaß ich ein Band, wie ich draussen feststellte, also wieder rein in den Laden, darf ich jochmal aufmachen?, der Typ, eh schon genervt von mir, weil ich so unbeholfen da rumvorwerkte, gab mir widerwillig das Paket zurück, klebte auch äusserst ungern, nachdem ich ihn darum bat, nochmal etwas Tesafilm an die aufgerissene Stelle.
Ich zitterte vor Aufregung, selbst wenn dieses Paket nun für 500 Euro versichert war, das nützte mir doch nichts, wenn diese Bänder verloren gehen, das mag ich mir gar nicht ausdenken.
Den Schreibtisch, ein Büroschränkchen, vier Stühle und Unmengen an überflüssigem Kram, wie Aktenordner, Druckerpatronen, Kladden, Wäschekorb, Messer usw. bot ich bei Facebook auf zwei Seiten zum Verschenken an.
Meine Güte, was für ein Terror, da meldeten sich die skurrilsten Menschen, die alle alles haben wollen, aber erst nächste Woche oder so, dann muss ich reservieren, die Leute stehen Schlange, wenn der eine nicht will, ich nehme das. Sogenannte Privatnachrichten auf Facebook bimmelten zu allen Zeiten, nötigten mich zu umständlichen Antworten, die Leute belästigten mich mit ihren privaten Lebensgeschichten, weshalb gerade sie es verdienen Dieses oder Jenes geschenkt zu bekommen.
An drei Tagen kamen also in Abständen fremde Menschen zu mir, die das Zeug abholten. Die Esoterische mit den Dreads schenkte mir aus Dank einen Rosenquarz, weil der Frauen Power gibt, die Frau aus Georgien warf mir immer Kusshändchen zu, nannte mich "liebe Mai", der schlaksige Junge aus Kenia schrammte beim Abtransport des Schreibtischs das ganze Treppenhaus auf.
Aber am schlimmsten war die Riesin, die nur die 4 Aktenordner haben wollte. Sie kam schnaufend an der Wohnungstüre an, wo ich sie schon mit den Ordnern in der Hand erwartete, da bittet sie mich doch wie selbstverständlich darum meine Toilette benutzen zu dürfen. "Sehr ungern" sagte mein Gesicht, aber wer, wenn nicht ich, lässt jeden sofort aufs Klo, wenn er denn nötig muss.
Trotzdem war mir sofort klar, dass jetzt Vorsicht geboten ist. Wenn sie länger als 5 Minuten drin bleibt, rufe ich die Polizei.
Sie war dann allerdings ziemlich schnell fertig, nahm die Ordner, bedankte sich und zischte wieder ab.
Sofort inspizierte ich das Bad.
Sicher hat sie eine dieser Kameras installiert, von deren Boom ich erst kürzlich in einer Doku erfahren habe. Kameras wurden auf Festivals in Dixie-Klos und in Privatbadezimmern versteckt, die daraus resultierenden Filme bringen viel Geld. Scheint ein großer Fetisch zu sein.
Wer einmal in meinem Bad war, weiß dass es unmöglich ist, dort auch nur eine versteckte Kamera zu finden. Man könnte mit Leichtigkeit 50 Kameras zwischen all dem Krempel postieren, die würde ich in Jahren noch nicht finden.
Aber an den hauptstrategischen Punkten, wo der Blick aufs Klo Sinn machen würde, konnte ich erstmal nichts entdecken. Zur Sicherheit putzte ich sofort die Toilette, desinfizierte sie und das Waschbecken, schmiss alle Handtücher, die offen da hingen, umgehend in die schmutzige Wäsche.
Bei mir darf sich ja nicht mal jemand mit Strassenkleidung auf’s Bett setzen, da bin ich pingelig. Das ist eine kleine Macke, ich weiß, zumal es leicht im Widerspruch dazu steht, dass ich, wie allgemein bekannt, noch alles esse, was gerade auf den Bürgersteig gefallen ist, und auch alles anfasse und mir andauernd die Finger abschlecke.
Fremde riesige Frauen, die in mein Bad kommen, Dinge anfassen, Körperausscheidungen hinterlassen und womöglich heimlich Kameras installieren, kann ich in keinem Fall dulden.
Bin ich froh, dass der ganze Scheiß weg ist, und niemand mehr vorbei kommt.
Die Wohnung ist jetzt nach einer Woche harter Arbeit bereinigt, so viel geputzt hatte ich schon lange nicht mehr. Vielleicht sogar noch nie in meinem Leben.
Manche Stellen hatte ich seit dem Einzug vor 9 Jahren nicht mehr berührt. Wie auch, meine kleine Leiter schafft es nicht bis ganz an die Decke und so hoch gehen meine Regale.
Es ist jetzt so befreiend, nicht nur zu wissen, dass alles sauber, entstaubt und von jahrhundertealten braun eingefärbten Spinnweben befreit ist, sondern dass ich mehrere Kubikmeter Prüll entsorgt habe.
Die Wohnung wirkt gleich viel größer, der Schreibtisch war sowas von unnötig und platzraubend.
So schön jetzt alles war, ich konnte es kaum genießen, denn ich hatte meine Koffer schon gepackt, weil ich jetzt für eine Woche in Sunias Wohnung zog, um wieder auf die Katzenbabies aufzupassen.
Sunias Wohnung ist herrlich, ein kleines Paradies mit De'Longhi Kaffeemaschine, Balkon und Riesenbad. Eine Spülmaschine ist auch etwas Feines, hatte ich total vergessen, wie angenehm so ein Teil ist. Der Saugroboter, Jeremy-Pascal, erheitert mich auch zuerst, googele sogar schon nach günstigen Modellen für mich, doch nach zweimaligem Benutzen krieg ich ihn nicht mehr an den Start.
Seit Sonntag musste ich schon wieder arbeiten, der Weg von hier da hin, war so viel schöner als mein üblicher Arbeitsweg. Weniger Ampeln und allein die Strecke durch die schattige Platanenallee im Grüngürtel war jeden Tag wieder herzergreifend.
Die Temperaturen hatten sich auf mindestens 30 Grad eingependelt, meist um die 35 Grad. Nicht meine Temperatur. 24 Grad kann es von mir aus das ganze Jahr bleiben, alles darüber entwickelt sich ja doch nur zur Qual.
Zum Wasser, also zum Rhein, in ein Schwimmbad oder zum Bodenbrunnen bei mir um die Ecke, wo die Kinder Nackedei zwischen den Fontänen rumlaufen, hatte ich es in diesem Jahr noch nicht geschafft.
Deshalb war dann das Planschbecken, das ich gekauft hatte, als wir die Blumen für das Altersheim holten, das Highlight. Schön in den klassischen Farben, Orange für die Ringe, blau für den Boden, baute ich es heute in der prallen Mittagshitze (37 Grad) im Garten auf und füllte es mit glasklarem Quellwasser.
Wir können dann die Bewohner entweder mit dem Rollstuhl davor fahren oder sie auf Stühle setzen, um sich zu erfrischen.
Zum Test stellten Anouk, die Heimleitung und ich zuerst nur unsere Füße da rein, aber als die beiden sich wieder ihrer Arbeit widmeten und ich warten musste, bis das Becken bis über den ersten Ring gefüllt ist, mein Gott wieviel Wasser passt da eigentlich rein, und wie lange das dauert, schaufelte ich immer großzügiger Wasser über mich, zuerst nur über die Waden, dann die ganzen Beine, die Arme sowieso, die Schultern, am Ende scheppte ich literweise kaltes klares Wasser über meinen Kopf, bis die Haare tropften, die Brille musste geputzt werden, ich rubbelte nur kurz das Deckhaar ab, aber die Erfrischung war so unfassbar schön, dass ich das Ganze an diesem letzten Arbeitstag vor dem freien Wochenende noch dreimal wiederholte. Es war so heiß, dass ich sowieso in wenigen Minuten wieder komplett trocken war.

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