Freitag,18. Juni 2021
- Mai Buko
- 18. Juni 2021
- 3 Min. Lesezeit
Der Sommer ist da, das kann man nicht anders sagen. Außer an den nicht aushaltbaren Temperaturen merkt man es an den Geräuschen und Gerüchen. Sei es das Flipflopgeschnalze auf der Straße, Wasserspritzpistolengezische und kreischende Kinder, surrende Ventilatoren oder Geschirrgeklapper. Über meinen Hinterhof höre ich zu verschiedenen Zeiten aus unterschiedlichen Wohnungen wieder Küchengeräusche, das ist auch schon immer eins meiner absoluten Lieblings-Sommergeräusche, denn man kann ja nur im Sommer, wenn alle Fenster geöffnet sind, das Geklirre aus fremden Küchen hören.
Die Liebe zu diesem Geklapper ist tief verwurzelt in meiner Kindheit.
Auf dem Bauernhof in Frankreich, auf dem ich viele Sommer verbracht habe, liebte ich es im Innenhof den Hühnern Mais zu zuwerfen, so toll, wie sie sich um mich scharten, mir hinterhertrotteten, ich andauernd die Richtung wechselte und sie total verfressen immer hinter mir her, dabei rasselte und schepperte es aus der Küche, das versprach leckeres Essen, das Gisèle zubereitete, Gemüse und Salat frisch vom Feld, vielleicht dazu ein Kaninchen, mjam, mjam.
Oder der Geruch von den Linden aktuell, die verströmen wieder den unvergleichlichen Duftmix aus Maiglöckchen und Sperma. Und natürlich Jasmin, den ich immer seltener wild finde, aber am Olympia am Bahndamm wächst er noch wild, und natürlich bei uns im Heim im Garten. Neben dem bezauberndem Geruch unserer Rosen, ist der Geruch des Jasmin, das Beste was man sich vorstellen kann.
Frau E., die neulich wieder untröstlich war, überzeugte ich, dass sie jedesmal wenn sie an dem Zweig Jasmin, den ich ihr gepflückt und in die Hand gedrückt hatte, schnüffeln sollte, denn dadurch würde ihre Traurigkeit ein kleines bisschen weniger. Jedesmal wenn sie also wieder das große Unglück in sich hochrollen fühle, soll sie kräftig diesen Geruch einsaugen, der sofort ein kleines Glück in ihrem Kopf herstelle. Sie konnte zwar nicht selber den Moment abpassen, aber ich saß neben ihr und sah es in ihrem Gesicht wenn die Verzweiflung wieder hochschlich, forderte sie auf: „Jetzt! Riechen Sie mal!“
Sie führte sich den Zweig zur Nase, schnüffelte und legte ihre Hände mit dem Zweig wieder in den Schoß, lehnte sich im Rollstuhl zurück und schloß die Augen. Beim vierten Mal kam ein kleines Lächeln, beim siebten Mal kicherte sie schon, beim zehnten Mal küsste sie die Blüte. Das war so schön, unwillkürlich gab ich ihr auch einen Kuss.
Meine Freude erfreute sie wiederum und sie fing an von allein an dem Zweig zu schnüffeln ohne dass irgendetwas in ihr hochkroch, lächelte und ich konnte sie wieder für eine Zeit verlassen und zur nächsten Bewohnerin gehen.
Gras riecht auch toll, da gibt es Unterschiede, frisch gemähtes, an der Seite aufgehäuftes, halb angetrocknetes Gras, die von der Sonne angewärmte Wiese, alles riecht unterschiedlich, alles herrlich. Letzte Woche war ich in meinem Übermut im Freibad. Es wurde ein Flop für mich, weil es ein bescheuertes Bad war, nur ein nichttiefes Kinderbecken und dementsprechend ausschließlich Eltern mit Kindergewusel überall. Eine schmale Bahn wurde abgetrennt, damit die drei normalen Menschen, die schwimmen wollten, eine Chance bekamen, weil im Rest des Beckens nur Gespringe, Gerangel, Untertauchen und Gekreische möglich war.
Die Idee, dass es meinen arthrosegeplagten Gelenken guttun würde zu schwimmen, war leider ein Irrtum, ich konnte meine Beine so gut wie gar nicht bewegen, also übernahmen meine Arme die ganze Arbeit. Und Entspannung außerhalb des Beckens war auch nicht drin, weil ich nicht entspannen kann, wenn ich einfach nur so rumsitze, liegen geht schon mal gar nicht, das Buch, dass ich mitgenommen hatte, packte ich erst gar nicht aus, weil ich viel zu nervös war in dieser ungewohnten Situation mit den ungewohnt vielen Menschen, die einem ungewohnt nah kamen, um mich auf einen Text zu konzentrieren. Dazu musste ich alle meine Sachen vor jeder Runde, die ich in der Bahn schwamm, ins Schließfach am Arsch der Welt bringen, weil ich höllische Angst vor Dieben habe, die ja -wie allgemein bekannt- durch die Bäder tingeln um Handys und Portemonnaies zu zocken. Und rauchen durfte man auch nur am Arsch der Welt. Aber eine Sache war dennoch schön. Der Sommer-Chlorgeruch.
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