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Freitag, 30. April 2021

  • Autorenbild: Mai Buko
    Mai Buko
  • 30. Apr. 2021
  • 12 Min. Lesezeit


Corona macht auch mich müde.

Schnauf.

Obwohl ich als gut funktionierende Trümmerfrau gerade in Stresssituationen stets brilliere, hab ich in den letzten Wochen viel Zeit, wenn es denn mal zu freier Zeit kam, also Zeit ohne Dienst im Seniorenheim, mit Schlafen verbracht.

Oder einfach mit dem Aushalten meiner nervigen und erschöpfenden Reizdarmsymptome und des neuen Schübchens meiner Arthrose.

„Schübchen“ deshalb, weil die Schmerzen nicht ununterbrochen, aber trotzdem täglich (und gerne auch nachts) auftreten, mich zum Humpeln oder Aufjaulen zwingen, trotzdem kein Vergleich zu einem Schub, der mich dann wirklich niederstreckt und ich so gar nichts an Bewegung ohne Tränen in den Augen hinkriege.

Also nix mit schreiben.

Manchmal war mir sogar kochen zu viel.

Oder auf Fettiges und Süßes zu verzichten, was ich tatsächlich ein paar Wochen schaffte um meiner Sommertraumfigur ein Stück näher zu kommen. Jetzt: Lachgummi, Erdnüsse, Salzstangen, Nutella, Pommes mit Currywurst, Toffifee, Schokowaffeln, Fritsticks...

Keine Disziplin, kein Antrieb, nur reine Dünnhäutigkeit.

Die Frustration darüber habe ich wie immer (nicht nur durch maßloses ungesundes Fressen) kompensiert, sondern auch mit einem übersteigertem Konsumverhalten. In den letzten Wochen habe ich, außer den unzähligen Geburtstagsgeschenken für Tommy, Meret und Sunia, vor allem mir einiges an Belohnungen gegönnt:

6 (Halbleinen-)Geschirrtücher,

5 flauschige Frotteehandtücher,

2 verschiedene Bettbezüge in sonnengelb (weil allein das Wort „sonnengelb“ ein tiefes Bedürfnis in mir weckte),

2 gestreifte Vintage Marmeladendosen aus Porzellan,

4 bunt gemusterte Röcke im 50er Jahre-Stil (Superschnäppchen),

2 Portemonnaies, eins handgefertigt in einer Berliner Manufaktur

1 Munddusche,

3 T-Shirts,

und, als es gerade an die 20 Grad wurde, einen runtergesetzten Wintermantel.

Ein Glück wurde es sofort wieder eisekalt.

Dieser April 2021 ist jetzt schon legendär für seine langanhaltende Kältephase.

Trotz der Kälte kam es in der einen Minute zu sagenhaftem Sonnenschein und in der anderen hagelte es stürmisch. Graupel nennt sich das, wurde ich aufgeklärt.

Wie oft ich zu den Bewohnern in den letzen Wochen „April, April, der macht was er will!“ sagte, kann ich gar nicht mehr zählen, denn ich weiß wie sehr sie auf so Sprüche stehen, die sie natürlich mit mir vollenden. Ich muss nur noch "April, April, der..." sagen, dann kommt es aus sämtlichen Mündern wie aus der Pistole geschossen.

Redewendungen vollenden können die meisten demenziell Veränderten sehr gut. Das macht ihnen Freude, denn es zeigt ihnen bei all ihren Defiziten, die sie durchaus wahrnehmen, dass sie immer noch etwas wissen oder können.

Dass ich mich den Dementen sehr nahe fühle, habe ich schon öfters erklärt, weil manche Dinge in meinem Leben sich schon ewig ähnlich dement anfühlen. Zum Beispiel das Wetter. Für mich sind alle Wetterphänomene jedesmal überraschend und ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals so kalt, oder so heiß oder so wechselhaft war.

Ob es letztes Jahr zu Weihnachten geschneit hat, kann ich beim besten Willen nicht sagen, und ob es an meinen Geburtstagen im Mai immer warm war, weiß ich auch nicht mehr. Ich erinnere mich, dass wir uns mal unter sämtlichen Sonnenschirmen auf der Terrasse des Olympia bibbernd knubbelten, weil es so beschissen regnete, aber wann das nochmal war, kann ich jetzt nicht mehr so genau nachvollziehen.

Jedenfalls offensichtlich vor Corona.

Es ist wirklich wahr, ich bin jedes Jahr überrascht von den Jahreszeiten und alles ist jedesmal neu für mich. Natürlich fiebere ich im Winter dem Sommer entgegen, aber je älter ich werde umso mehr favorisiere ich die Semi-Jahreszeiten wie Frühling und Herbst. Weil es da nicht zu so krassen Temperaturen kommt. Hitze geht bei mir gar nicht mehr, das erinnere ich mich, weil ich letztes Jahr beim Kurzurlaub mit Marie in Griechenland bei 37 Grad unter Panikattacken litt. Aber wie sich das nochmal anfühlt, wenn es wärmer bis heiß wird, das weiß ich nicht mehr.

Noch freue ich mich auf den Sommer, aber als es letztens kurz so um die 20 Grad wurde, war ich leicht panisch auf der Suche nach Plätzen im Schatten und verfluchte meine unpassende, zu Hitzestaus führende Kleidung.

Hitze. - Als Kinder fuhren wir jeden Sommer mit unseren Fahrrädern von Holweide nach Dünnwald ins „Mückenbad“ oder gar noch weiter nach Schlebusch ins Freibad. (Wie konnten uns bloß unsere Eltern diese wahnsinnig langen Strecken über gefährliche Landstrassen alleine losziehen lassen?)

Dabei nur ein Handtuch, ab und zu ein geschmiertes Brot, den Badeanzug trugen wir schon. Sofort ab ins Becken und dann bis zur Schließung des Schwimmbades die Zeit im Wasser verbracht. Mit schrumpeligen Froschhänden, blauen Lippen und zähneklappernd vielleicht mal 10 Minuten an den Rand aufs Handtuch gesetzt, den „reichen“ Kindern neidisch hinterhergeschaut, die sich an der Bude nicht nur Getränke kauften, sondern auch noch Fritten oder gar Würstchen dazu. Die Hitze war prima, ich lief den ganzen Sommer nur in Flipflops rum, die damals aber noch nicht so hießen, und die man für unter 2 Mark bei Gummi Grün „in der Stadt“ kaufen konnte.

Als Teenager dann auch stundenlang auf Wiesen oder in Kornfeldern gelegen, die Sonne brutzelte, das war herrlich. Ich wurde recht schnell braun, „wie ein Neger“, wie meine Oma lobend feststellte.

Da fällt mir jetzt spontan ein, ich hatte mal als Kind einen Wandbehang über meinem Bett, den hatte ich von meinem Bruder geerbt, denn meine Mutter hatte ihn ursprünglich für ihn gebastelt. Das war eine Strohmatte (oder Bambus?), 2 Meter lang und ca. 60 cm hoch, darauf waren aus Filz die „10 kleinen Negerlein“ appliziert. Mit schön bunten Baströckchen, Knochen im Haar, und goldene Kreolen im Ohr. Ich liebte diesen Wandbehang, die lustigen hübschen schwarzen Kinderchen, alle fröhlich vereint.

Er war natürlich schon etwas an den Rändern ausgefranst als ich ihn bekam, bei manchen Negerlein waren die dicken roten Filzlippen abgefallen, oder das Baströckchen nur noch halb vorhanden, aber es strahlte für mich, sogar jetzt noch in der Erinnerung, eine harmonische Glückseligkeit aus, eine Gemütlichkeit, ein zärtliches Zusammengehörigkeitsgefühl.

Dazu gab es diesen fürchterlichen Reim, den ich anscheinend damals ausblendete, denn diese Negerlein starben ja alle einen grausamen Tod. Oder war es der Thrill, der dahinter steckte, der mich faszinierte? Das Wissen, hier sind sie noch tanzend und lachend vereint, aber bald, tja, Ende aus. So erging es mir zumindest bei den Märchen-Schallplatten, die ich mir immer und immer wieder anhörte, vor Angst schaudernd, und doch hingebungsvoll vor die Musiktruhe gerollt, frei mitsprechen könnend, obwohl ich ja auswendig lernen noch nie gut konnte. Bis heute nicht. Aber ich kann bis heute in der Originalstimmlage der Hexe und mit rollendem "R" meinen Schlüsselsatz aufsagen: „Gretel, du dummes Ding! Jetzt schau nach, ob der Ofen heiß genug ist, damit ich dein Brüderchen braten kann!“

Diese Negerlein gehören zu meinen schönen Kindheitserinnerungen, von denen ich tatsächlich nicht allzu viele habe. Ich hab auch keine schlechten, ich hab einfach so gut wie gar keine Erinnerung an alles, was vor der Einschulung passierte.

Als ich mich einmal wegen meiner Angststörung monatelang in einer psychosomatischen Klinik aufhielt, wurden mir andauernd Fragen zu meiner Kindheit gestellt, die ich nicht beantworten konnte, wo im Haus war mein Kinderzimmer, hatte ich überhaupt ein eigenes, für was wurde ich gelobt oder gerügt, war ich Mama- oder Papa-Kind?

Keine Ahnung.

Also rief ich abends meine Schwester an und stellte ihr all diese Fragen, die sie, die ja 12 Jahre älter ist, mir beantworten konnte. Aber selbst wenn sie mir Einzelheiten erzählte, klingelte nichts bei mir. Nur selten kamen mal kurze Erinnerungen hoch. Zum Beispiel, dass ich mit ca. 3 Jahren ein lila Seidentuch mit weißen kleinen Kringel drauf besaß, das ich tagsüber draußen auf das Fensterbrett legte und es mir abends gut gekühlt zum Schlafen auf mein Gesicht legte. Es roch so schön nach frischer Luft und war so zart und kühl.

Das fühl ich sogar jetzt noch, wenn ich das hier schreibe.

Eigentlich auch eine schöne Kindheitserinnerung, aber was sollten die Psychologen wohl damit anfangen?

Wenn ich jetzt meine Bewohner ansehe, vor allem die Dementen, die mir detailliert aus ihren frühesten Kindertagen erzählen, bin ich erstaunt und fasziniert, wie gut sie das können, höre wahnsinnig gerne zu. Auch sie reden noch völlig unbefangen von Dingen wie den 10 kleinen Negerlein. Sie wissen, genau wie ich als Kind, nichts von Rassendiskriminierung, machen sich da sowieso keinen Kopf. Manche Bewohner, aber eher die orientierten, zeigen hin und wieder ausländerfeindliche Reaktionen. Aber da ist Hopfen und Malz verloren, man kann sich distanzieren, den betreffenden Mitarbeiter schützen, sich solidarisieren, einen Sachverhalt klarstellen, aber die verwurzelte und mittlerweile in Beton gegossene Weltanschauung kann man bei diesen alten Herrschaften nicht mehr ins Wanken bringen.

Das ist natürlich manchmal echt schwer eine stänkernde 90-jährige weiterhin freundlich und wertschätzend zu behandeln. Aber wir sind ja Profis.

Dass wir Profis sind wurde in den letzten Wochen zur alltäglichen Herausforderung, denn nach und nach haben sich mittlerweile acht Bewohner mit Corona angesteckt, sind positiv.

Fünf davon sind geimpft, die anderen Drei hatten sich aus unterschiedlichen Gründen nicht impfen lassen wollen, und einer von den Dreien war sogar kurzzeitig auf der Intensivstation, ist aber auf dem Weg der Besserung und wird wohl bald wieder zu uns zurückkommen.

Aber was jede Bekanntgabe des letzten PCR-Testergebnisses (mit wieder neuen Infizierten) an Rattenschwänzen mit sich brachte war schweißtreibend.

Es wurde eine Quarantäne-Station auf einem Wohnbereich eingerichtet, und die betreffenden Bewohner dort zusammen hin verlegt. Also getauscht. Das sind für sie fremde, natürlich von den Vorbewohnern eingerichtete Zimmer. Die wichtigsten eigenen Dinge sind mit ihnen umgezogen. In diesen neuen Räumen müssen sie nun die Isolation für mindestens 14 Tage aushalten. Die Gesundheitsamtleute, die immer wieder mal bei uns vorbeischauen, erklären uns an was wir jetzt so denken müßen, das wir vielleicht nicht so auf dem Schirm hatten, wie zum Beispiel, dass wir erstmal Einweggeschirr besorgen mussten, da nichts mehr unverpackt das Zimmer verlassen darf, da es ja potentiell kontaminiert ist. Die Wäsche und den Müll stecken wir in Plastiktüten, die wiederum in eine zweite Tüte müssen um in einem speziellen Sack entsorgt zu werden.

Nach 2 Wochen war natürlich durch die nicht nachvollziehbare Auswahl an Bewohnern, die plötzlich positiv waren, nahezu jeder Bewohner im Haus Kontaktperson 1. Grades.

Hatten wir anfangs nur bestimmte Wohnbereiche aufgrund der verordneten Quarantäne gesperrt und den Massnahmen inklusive Ausgangs- und Besuchsverbot unterzogen, galt es plötzlich für das ganze Haus. Nur das Erdgeschoss blieb verschont, die durften sich weiterhin frei bewegen und in den Garten, auf den die Eingesperrten von ihren Zimmern aus neidisch runterblickten. Gruppenangebote fallen bis auf Weiteres natürlich wieder aus. Und einige Bewohner kündigten schon an, dass sie zukünftig solche Gruppenangebote, selbst die superbeliebten Bewegungsübungen und Gedächtnisquizze nicht mehr besuchen, weil sie nicht nochmal als Kontaktperson prophylaktisch in Quarantäne wollen. Die getriebenen Dementen, die sich eh schon immer hin und wieder aus dem Staub machen wollten, können wir jetzt andauernd einsammeln und wenigstens wieder in ihren Bereich bringen, mit etwas Glück bleiben sie vielleicht sogar für eine Zeit auf ihren Zimmern.

Monotonie und Langweile.

Die individuellen Einzelbegleitungen, also die Zimmerbesuche werden zu Kummerkastenaufenthalten, denn jeder möchte sein Herz ausschütten, seine Traurigkeit formulieren, nicht allein sein. Also wird meistens geredet, oder Händchen gehalten, mit manchen kann man dann etwas spielen, etwas vorlesen, oder wir schauen uns Fotoalben an, machen Bewegungsübungen oder Gedächtnistraining, aber Hauptsache da ist jetzt jemand, der sich mit mir beschäftigt solange meine Kinder nicht mehr kommen dürfen und ich nicht raus darf.

Auf der ersten und zweiten Etage haben wir alle paar Meter einen Tisch aufgestellt, auf denen Desinfektionsmaterial liegt und massenweise Schutzkleidung, Mundmasken, Kittel, Handschuhe in allen Größen, Füßlinge, Haarnetze und Visiere oder Brillen. Denn nach jedem Zimmerbesuch müssen wir unsere Schutzkleidung entsorgen und sich für den nächsten Besuch komplett neu „einkleiden“.


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In den abgesperrten Quarantänebereich auf der ersten Etage mit den Positiven dürfen wir von der sozialen Begleitung gar nicht.

Von uns Mitarbeitern sind alle weiterhin negativ getestet worden. Wirklich unerklärlich wie das passieren konnte. Dazu auch noch in zwei Varianten, die alte und die britische Mutation wurde nachgewiesen.

Wir haben ca. 10 Bewohner (von 80 Bewohnern insgesamt) die sich nicht haben impfen lassen, und ein paar von den neu Eingezogenen sind auch noch nicht geimpft oder haben erst die erste Impfung hinter sich, und dass unter diesen 8 Infizierten ausgerechnet 3 Ungeimpfte sind versetzte uns natürlich in Angst und Schrecken. Nicht nur dass sie schwer erkranken können und vielleicht sogar elendig sterben, sondern auch dass sie hochinfektiös sind, und somit alle anderen Ungeimpften gefährden.

Frau A. zB., 96 Jahre alt, sehr desorientiert, spazierte gestern während der Übergabe der Pfleger (Schichtwechseltreff mit Besprechung) gemütlich aus ihrem neuen Zimmer aus dem abgeriegelten Quarantänebereich heraus und nahm den Aufzug runter ins Erdgeschoss, begleitet von dem geimpften und negativ-getesteten Herrn H., der die Sachlage verkannte , und auch das Geschlecht von Frau A. nicht einordnen konnte, denn er wollte dem „kleinen Mann, der sich offenbar verlaufen hat“, nur behilflich sein, wie er mir erklärte, als beide vor meinem Büro ankommen. In Windeseile rase ich zum Hauptlager der Schutzkleidung, also in das Büro des Pflegeleiters, wo sich die diversen Kartons stapeln, denn im Erdgeschoss haben wir nicht diese Tische mit dem Zeug, brauchen wir da ja nicht, rupfe mir aus den Paketen die Materialien raus, ziehe mir alles schnell an, reiße in der Hektik, wie so oft, diese dummen Schnüre ab, mit denen man den Kittel zubindet, und fange Frau A. ab, um sie wieder nach oben zu bringen. Ohne sie in Panik zu versetzen, erkläre ich ihr ganz ruhig auf dem Weg nach oben, dass sie sich ja angesteckt habe, und damit sie wiederum niemanden ansteckt, müsse sie bitte auf ihrem neuen Zimmer (von Herrn K., der gerade noch im Krankenhaus ist) bleiben. Sie ist ganz fröhlich und sagt mir, dass sie sich doch nur kurz anmelden wollte, damit jeder jetzt weiß, wo sie nun wohnt. Mit der einen Hand führe ich sie, mit der anderen rufe ich die Chefin an, weil ich nicht weiß, wie ich jetzt vorgehen soll, da ich ja nicht in den geschlossenen Bereich darf, die Pfleger aber alle in der Übergabe sind.

Ich soll in die Übergabe platzen. Das lieben die Pfleger enorm, und auf dem Weg zu ihnen entdecke ich noch eine Bewohnerin, die in ihrem Zimmer auf dem Boden sitzt, vermutlich gestürzt ist, also müssen gleich zwei Pfleger die Besprechung verlassen um zu helfen.

Es ist ein Jammer, wie die Zustände gerade sind, vor allem weil es eventuell völlig unnötig ist, weil es vielleicht so ist, dass Geimpfte andere gar nicht mehr anstecken können, wenn sie denn dann positiv sind. Aber das weiß man noch nicht sicher, deshalb gelten alle Massnahmen wie bisher. Quarantäne und der ganze Scheiß. Wir müssen uns weiterhin alle drei Tage einem Schnelltest unterziehen und alle 2 Wochen einem PCR-Test, deshalb laufen wir weiter mit Mund-Nase-Masken rum und haben auf den Bereichen der Kontaktpersonen diese Tische aufgebaut und entsorgen deren Essensreste und ausgelesene Zeitungen wie Giftmüll.


In der echten Welt werden die Forderungen immer lauter, dass den Geimpften ihre Rechte ja nun wieder zurück gegeben werden könnten. Also Erleichterungen, wie ungezwungen verreisen zu können, Cafés und Restaurants zu besuchen, zu shoppen wo man will und alles ohne Schnelltests.

Lori, die ich letztens auf ein Käffchen traf, gehört dazu. Sie ist geimpft und möchte so bald wie möglich wieder normale Dinge tun.

Als ich entgegnete, es wäre ja unfair jetzt privilegiert behandelt zu werden, solange nicht jeder wenigstens die Chance gehabt hatte, sich impfen zu lassen, meinte sie, sie sei ja auch sonst im Leben privilegiert, zum Beispiel als Weiße, dafür könne sie ja auch nichts, soll sie deswegen auf ein bisschen Normalität verzichten? Ob ich nicht auch liebend gerne wieder auf eine Caféterrasse gehen würde, wenn diese für Geimpfte zugänglich wären. Nein, das würde ich in der Tat nicht. Die 2 Monate, die es vielleicht noch braucht, bis jeder ein Impfangebot annehmen konnte, die halte ich noch aus.

Später denke ich noch mal darüber nach. Das fragwürdige "Privileg" eine Weiße zu sein, ist nun mal nicht gleich zu setzen ist mit einem Privileg, das sich jedermann (eventuell mit Wartezeit) aneignen kann, bzw. sich das Privileg zurück in einen unprivilegierten Normalzustand verwandelt. Ausserdem sind Privilegien aufgrund der Hautfarbe zu boykottieren, ich bin mir sicher, Lori würde natürlich auch nicht in ein Restaurant gehen, in das nur Weiße dürfen.

Genauso verabscheuenswert ist das Privileg so reich zu sein, dass man sich alles kaufen kann. Eine Impfung zum Beispiel. In Dubai. Oder, was anscheinend gerade boomt: eine Impfreise, Flug, Kultur, Hotel und Impfung, das ganze Komplett-Set nach Russland für paar tausend Euro.

Aber natürlich verstehe ich die Ungeduld, bin selber ganz ungeduldig, möchte lieber heute als morgen schön im lauen Abendwind vom Restaurant verwöhnt werden. Möchte Freunde in großen Gruppen wieder sehen, zusammen sitzen, vielleicht sogar tanzen.

Und nicht allein an der frischen Luft auf einer Bank noch eine rauchen, auf dem Spielplatz vor meinem Haus.

Obwohl, wenn wir da zu mehreren zusammen gesessen hätten, dann wäre mir vielleicht entgangen, dass da zwei 10jährige Mädchen auf einer anderen Bank einen Mordsspaß hatten einer Gruppe von etwa 8 zwanzigjährigen Jungs beim Tischtennis zuzugucken. Die spielten Rundlauf, und die Mädchen waren voll drin, lachten sich kaputt, kugelten sich auf der Bank, oder feuerten den ein oder anderen an, bewerteten die erheblich älteren Jungs. „Der blaue da ist der Killer!“

Sie quatschten die Jungs sogar an, wer denn der bessere wäre, und wie der eine da heißt. Das hätte ich mich nie getraut in dem Alter. Es war so schön zu sehen, wie die Mädchen ganz ungeniert und ohne Hintergedanken ihr Interesse zeigten, sich einbrachten und auch noch nette Antworten erhielten. So schön kann alles sein.

Schön war auch, zwei andere Mädchen im dm zu beobachten. Sie waren etwas älter, so 13/14 Jahre alt, und hockten vor der Makeup Abteilung und schauten sich Lidschatten an.

„Nee, das ist der nicht!“

„Doch genau der isses!“

„Nee, guck mal, voll die andere Farbe. Der war so grün mehr.“

„Ich schwöre, der isses!“

„Kann gar nicht sein, der hier schimmert gar nicht!“

„Mensch glaub mir doch!“

„Oh Mann, ist der echt nicht, Bruda!“

Dann sprachen sie sehr viel lauter und nur noch auf türkisch. Sie zankten sich jetzt offensichtlich. Vielleicht waren sie Schwestern oder beste Freundinnen, jedenfalls einigten sie sich bald, legten ein Döschen in den Einkaufskorb und gingen kichernd Arm in Arm zur Kasse.


Zehn kleine Negerknaben schlachteten ein Schwein; Einer stach sich selber tot, da blieben nur noch neun. Neun kleine Negerknaben, die gingen auf die Jagd; Einer schoss den andern tot, da waren’s nur noch acht. Acht kleine Negerknaben, die gingen und stahlen Rüben; Den einen schlug der Bauer tot, da blieben nur noch sieben. Sieben kleine Negerknaben begegnen einer Hex’; Einen zaubert sie gleich weg, da blieben nur noch sechs. Sechs kleine Negerknaben gehn ohne Schuh und Strümpf; Einer erkältet sich zu Tod, da blieben nur noch fünf. Fünf kleine Negerknaben, die tranken bayrisch’ Bier; Der eine trank, bis dass er barst, da waren’s nur noch vier. Vier kleine Negerknaben, die kochten einen Brei; Der eine fiel zum Kessel rein, da blieben nur noch drei. Drei kleine Negerknaben spazierten am Bau vorbei; Ein Stein fiel einem auf den Kopf – da blieben nur noch zwei. Zwei kleine Negerknaben, die wuschen am Nil sich reine; Den einen fraß ein Krokodil – da blieb nur noch der eine. Ein kleiner Negerknabe nahm sich ’ne Mama; Zehn kleine Negerknaben sind bald wieder da.




1 Comment


cristina.dahn
cristina.dahn
May 03, 2021

Der kalte Geburtstag war 2019, glaub ich.

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